Mit Ersatzbrennstoffen kann das Energieproblem nicht gelöst werden. Dafür ist deren Potential zu klein. Aber im Einzelfall kann die Ersatzbrennstoffverwertung die wirtschaftliche Situation von Unternehmen entspannen. Etwa 6,7 Millionen Tonnen Ersatzbrennstoffe werden derzeit jährlich aus Haus- und Gewerbeabfällen produziert, davon etwa 2,5 Millionen Tonnen, die mit mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen gewonnen werden, sowie 4,2 Millionen Tonnen aus der Aufbereitung von Gewerbeabfällen. Prinzipiell können Ersatzbrennstoffe in Zement- und Kohlekraftwerken sowie in eigens dafür errichteten Industriekraftwerken energetisch verwertet werden. Jedoch fehlen ausreichende Verwertungskapazitäten. Derzeit stehen in Deutschland Verwertungskapazitäten für knapp zwei Millionen Tonnen zur Verfügung. Folglich wird die Überproduktion, das sind im Jahr 2006 rund 4,7 Millionen Tonnen, zwischengelagert. Bis etwa 2008 sollen Verwertungskapazitäten für weitere drei Millionen Tonnen errichtet werden, so daß immer noch ein Defizit verbleibt. Ersatzbrennstoffangebot und -verwertungskapazität werden voraussichtlich erst 2012/13 ausgeglichen sein. Bis 2008 werden zehn bis zwölf Millionen Tonnen Ersatzbrennstoffe zwischengelagert werden müssen. Für die Hersteller von Ersatzbrennstoffen kommt erschwerend hinzu, daß diese Ersatzbrennstoffe einen negativen Wert aufweisen; das bedeutet, daß die Ersatzbrennstofferzeuger für die Abnahme ihres Produkts, das vom Gesetzgeber als Abfall klassifiziert wird, bezahlen müssen.
Die Chance haben vor allem Unternehmen mit hohem Energiebedarf erkannt, deren Wirtschaftlichkeit von den hohen und steigenden Energiepreisen beeinträchtigt wird. In diesen Industriebranchen wird daher untersucht, wie Ersatzbrennstoff-Verwertungskapazitäten erweitert oder neu geschaffen werden können. Bei den Zement- und Kohlekraftwerken sind die Grenzen absehbar, da weder die Prozesse noch die Produkte durch Ersatzbrennstoffe beeinträchtigt werden dürfen. Anders sieht die Situation zum Beispiel bei den Werken der Chemie-, Papier-, Hütten-, Nahrungsmittelindustrie, aber auch bei Gewerbeparks aus. Zur Nutzung des unerwarteten Brennstoffangebots gibt es zahlreiche Projekte, so daß schon Befürchtungen laut werden, daß sich die aus der Altholzverwertung bekannte Entwicklung zu Überkapazitäten wiederholen könnte.
Von den in der Literatur genannten 42 Ersatzbrennstoff-Kraftwerksprojekten wird vermutlich nur ein Teil realisiert werden. Die Frage, ob tatsächlich, wie prognostiziert, bereits ab Ende 2008 Überkapazitäten für die Ersatzbrennstoffverwertung aufgebaut sein werden, kann derzeit seriös weder beantwortet noch prognostiziert werden. Vielmehr ist davon auszugehen, daß zahlreiche Vorhabensträger versuchen werden, Genehmigungsverfahren einzuleiten und Genehmigungsbescheide zu erhalten, auch wenn die zu behandelnden Ersatzbrennstoffmengen vertraglich noch nicht oder noch nicht vollständig gesichert sind.
Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, weil die Ersatzbrennstoffe dahin gehen werden, wo Genehmigungen in absehbaren Zeiträumen erreicht und wo diese Mengen darüber hinaus wirtschaftlich, das heißt möglichst kostengünstig eingesetzt werden können. Der Wettbewerb wird auch zukünftig über den Preis laufen, so daß es derzeit nicht vernünftig erscheint, nur deswegen von Planungen Abstand zu nehmen, weil mögliche Überkapazitäten prognostiziert werden. Entscheidend ist vielmehr die Durchführung von zügigen und schlanken Genehmigungsverfahren mit Anlagenstandards, die den gesetzlichen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen entsprechen.
Das Ersatzbrennstoffproblem ist vielschichtig und facettenreich. Die Realisierung der Herstellung und Verwertung ist risikoreicher als bei bewährten Technologien mit langjährig erprobten Brennstoffen. Anläßlich der Berliner Energiekonferenz am 8. und 9. November 2006 wird ein Überblick über die zahlreichen politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und technischen Aspekte dieser noch neuen Herausforderung gegeben.
Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c Karl J. Thomé-Kozmiensky
Copyright: | © Rhombos Verlag | |
Quelle: | ZWISCHENLAGERUNG (September 2006) | |
Seiten: | 1 | |
Preis inkl. MwSt.: | € 0,00 | |
Autor: | Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Karl J. Thomé-Kozmiensky | |
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