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Ein Impuls zur Bundestagswahl 2025
Die
politische Debatte vor der Bundestagswahl wird von den Themen
Wirtschaft sowie innere und äußere Sicherheit bestimmt. Gleichzeitig
wächst die Sorge vor gesellschaftlicher Spaltung, Politik- und
Demokratieverdrossenheit. Eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik
scheint nicht in dieses Umfeld zu passen. Doch die ökologischen
Herausforderungen sind mit den anderen strukturellen Krisen des 21.
Jahrhunderts eng gekoppelt. Diese gemeinsam anzugehen, statt sie
gegeneinander auszuspielen, ist eine politische Notwendigkeit. Dazu
gehört, in der Umwelt- und Klimapolitik Kurs zu halten. Wichtiger
denn je sind pluralistische und zugleich wissensbasierte Debatten
über umweltpolitische Maßnahmen, die gesellschaftlich breit getragen
werden.
Klimawandel
und Umweltzerstörung verstärken andere Krisen
Die Umweltkrise ist Ausdruck einer grundlegenden Strukturkrise der
Moderne. Je weiter sie fortschreitet, umso mehr wird sie als
„Meta-Krise“ andere ökonomische, soziale und politische Krisen
befeuern. Schon jetzt werden die Folgen immer sichtbarer, beispielsweise
in kostspieligen Extremwetterereignissen, besorgniserregenden
Ernteausfällen und Waldschäden, vielfältigen negativen
Gesundheitswirkungen sowie der Verschlechterung der Lebensbedingungen
vieler Menschen. Veränderungen sind oft irreversibel und stellen eine
nicht zu verantwortende Bürde für die junge Generation dar. Dies gilt
nicht nur für den Klimawandel, der weiter auf gefährliche Kipppunkte
zusteuert und dessen vielfältige vernetzte Auswirkungen sich
potenzieren können. Es gilt ebenso für die Zerstörung und
Verschmutzung von Natur und Umwelt. Das menschliche Leid und die
ökonomischen Kosten einer gescheiterten globalen Umweltpolitik wären
immens, sowohl in Europa als auch in anderen Weltregionen.
Angemessener Klima- und Umweltschutz ist eine Frage der Verantwortung
für die Zukunft, der sich alle Parteien stellen müssen.
Deutschland
ist wichtiger Akteur in der globalen Umwelt- und Klimapolitik
Entgegen der Wahrnehmung vieler Menschen ist Deutschland schon länger
kein klimapolitischer Vorreiter mehr, sondern bewegt sich eher im
vorderen Mittelfeld (Burck et al. 2024). Gleichzeitig bleibt
Deutschland allerdings ein aktiver und einflussreicher Akteur der
globalen Umweltpolitik, ein führendes Industrieland, dem eine grüne
Transformation zugetraut wird. Auch wegen dieser Rolle ist es
wichtig, dass Deutschland und die EU Kurs halten – auch und gerade
dann, wenn die USA und andere Länder in eine Bremserrolle
zurückfallen sollten. Das Zeitfenster für die Stabilisierung der
globalen Umweltbedingungen verkürzt sich Jahr für Jahr. Die nächste
deutsche Regierung sollte daher unabhängig von ihrer politischen
Ausrichtung die nötigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen
Kräfte mobilisieren, um die begonnene Entwicklung zu Nachhaltigkeit
mit Kraft und Zuversicht fortzusetzen.
Bürgerinnen
und Bürger erwarten nationalen Klimaschutz
Studien zeigen immer wieder, dass eine klare Mehrheit der Bevölkerung
in Deutschland eine aktive Klimapolitik befürwortet, ja sogar
erwartet. Für den umwelt- und klimafreundlichen Umbau der deutschen
Wirtschaft sprechen sich 91 % der Befragten aus. Eine Mehrheit kann
sich zudem vorstellen, den eigenen Konsum zugunsten der Umwelt zu
reduzieren (BMUV 2023). Je weiter die Umweltkrisen voranschreiten,
desto häufiger werden politische Entscheider gefragt, was sie getan
haben, um Katastrophen wie beispielsweise die Überflutung des Ahrtals
zu verhindern – durch Klimaanpassung, aber vor allem auch durch
vorsorgenden Klimaschutz. Richtig ist aber auch, dass bestimmte
umweltpolitische Themen in der Gesellschaft kontrovers diskutiert
werden und dass die Inflation der letzten Jahre die finanziellen
Spielräume vieler Menschen eingeschränkt hat. Gerade auch deshalb ist
eine gerechte Verteilung der Lasten entscheidend für die Akzeptanz
von Maßnahmen. Wichtig ist daher eine pluralistische Debatte über die
besten Wege im Umweltschutz. Diese sollte sensibel sein für
unterschiedliche Betroffenheit und den sozialen Ausgleich innerhalb
der Gesellschaft von Anfang an zentral mitdenken.
Umweltpolitisches
Stop-and-Go könnte die wirtschaftlichen Chancen der ökologischen
Modernisierung Deutschlands verspielen
Umwelt- und Klimaschutz sollten nicht nur unter dem Blickwinkel
kurzfristiger Kosten für die Wirtschaft diskutiert werden. Eine
solche Verkürzung der umweltpolitischen Debatte führt gerade heute,
wo die Transformation bereits begonnen hat, auf Abwege. Kaum jemand
bestreitet, dass die deutsche Volkswirtschaft langfristig nur dann
wettbewerbsfähig sein kann, wenn sie nicht nur innovativ, effizient
und digital, sondern auch kohlenstoffarm, ressourcenleicht und
zirkulär ist. Viele Unternehmen und Branchen in Deutschland haben
sich bereits auf den Weg zu dieser Transformation gemacht und
verfolgen ihn mit inhaltlicher Überzeugung. Sie müssen jedoch darauf
vertrauen können, dass Konsens über die langfristigen Zielsetzungen
besteht und dass ihr Kurs politisch unterstützt wird. Nur dann werden
sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen können.
Der
Wahlkampf braucht eine ehrliche Debatte über sozial gerechte
Zukunftsstrategien
Klima- und Umweltschutz müssen ein zentraler Bestandteil politischer
Strategien sein, auch in Krisenzeiten. Es bestehen vielfältige
Synergien mit den aktuell diskutierten wirtschaftlichen und
sicherheitspolitischen Agenden – von der Eindämmung geostrategischer
Risiken über ökonomische Modernisierung und Industriepolitik bis hin
zur Digitalisierung und Modernisierung von Verwaltung. Zu oft folgen
umweltpolitische Debatten aber einer politischen Abgrenzungslogik –
Innovation oder Ordnungsrecht, Windenergie oder Atomkraft, E-Fuels
oder Elektromobilität. Politische Parteien wollen und sollen
unterschiedliche Gestaltungsentwürfe zur Wahl stellen, es wird jedoch
Zeit, den Bürgerinnen und Bürgern eine komplexere, sachlichere, aber
vor allem ehrlichere Debatte über sozial gerechte Strategien für
einen ökologischen Umbau zuzumuten.
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