Eine neue Regierung

gestern haben die Parteispitzen von CDU, CSU und SPD ihre Koalitionsverhandlungen abgeschlossen und den Koalitionsvertrag vorgestellt. Sofern die Parteien dem Vertrag zustimmen, ist damit die politische Ausrichtung für die 21. Wahlperiode vorgezeichnet.

Den vollständigen Koalitionsvertrag können Sie hier auf unserer Webseite einsehen und downloaden.
 
Der nun vorliegende Koalitionsvertrag enthält zahlreiche vielversprechende Ansätze für die Kommunalwirtschaft und greift erfreulicherweise viele Forderungen und Anregungen des VKU auf. Besonders hervorzuheben ist, dass die Koalitionspartner die zentrale Rolle der kommunalen Unternehmen als Rückgrat der öffentlichen Daseinsvorsorge ausdrücklich anerkennen und ihnen einen eigenen Abschnitt („Kommunale Unternehmen“) widmen.
 
Dabei ist klar: Entscheidend kommt es auf die Umsetzung an. Deshalb haben wir gestern in unserer ersten Presse-Stellungnahme auch eingefordert, dass erste Maßnahmen wie das Errichtungsgesetz für das Sondervermögen Infrastruktur bereits vor der Sommerpause auf den Weg gebracht werden.
 
Nachfolgend finden Sie eine erste Einschätzung zu den aus unserer Sicht besonders relevanten politischen Vorhaben zu den einzelnen Themen für die kommunalen Unternehmen: 

  • Energiewirtschaft
  • Wasserwirtschaft
  • Abfallwirtschaft
  • Recht, 
  •  Finanzen und Steuern
  • Bürokratieabbau
  • Kritische Infrastruktur
  • Digitales und Telekommunikation 
1. Energiewirtschaft
 
Klimapolitisch halten die Parteien an den deutschen und europäischen Klimazielen fest, was wir begrüßen. Ein neues EU-Zwischenziel für 2040 wird jedoch nur dann unterstützt, wenn es keine Verschärfungen gegenüber dem bereits äußerst ambitionierten deutschen 2040-Zwischenziel im Bundes-Klimaschutzgesetz mit sich bringt. Genau dafür hatte sich der VKU gemeinsam mit der DIHK im Rahmen einer gemeinsamen Studie eingesetzt. Auch bleibt die CO2-Bepreisung zentrales Element der Klimapolitik. Bei der Nutzung von CO2-Preis-Einnahmen stellt der Koalitionsvertrag Entlastungen in den Bereichen Wohnen und Mobilität in Aussicht. Eine vom VKU kritisch betrachtete pauschale Rückverteilung ohne Zweckbindung („Klimageld“) wird zwar nicht explizit ausgeschlossen, erscheint angesichts sehr begrenzter Spielräume im Bundeshaushalt für so eine Art von Maßnahme aber als unwahrscheinlich.
 
Energiepolitisch sind eine Vielzahl an positiven Verhandlungsergebnissen enthalten, für die sich der VKU im Vorfeld stark gemacht hatte. Institutionell betrachtet bleibt es bei der Verankerung der Zuständigkeit für alle energiepolitischen Fragen im Bundeswirtschaftsministerium (zukünftig unter Führung der CDU), während die Federführung für den Klimaschutz wieder ins Bundesumweltministerium zurückverlagert wird, wo sie bis 2021 bereits angesiedelt war (zukünftig unter Führung der SPD). Damit ist die Gefahr einer Aufspaltung der Energiezuständigkeit, etwa die zwischenzeitlich diskutierte teilweise Ausgliederung in ein neues Infrastrukturministerium, gebannt.
 
Positiv ist des Weiteren das klare Bekenntnis zum weiteren kraftvollen Ausbau der Erneuerbaren Energien inkl. Bioenergie und Geothermie bei einem stärkeren Fokus auf Systemdienlichkeit und Kosteneffizienz beim Umbau des Energiesystems. Dies gilt etwa für den weiteren Stromnetzausbau und die Erschließung von Flexibilitäten. Genau für diese veränderte Herangehensweise haben wir uns mit unserem „Neustart für die Energiewende“-Positionspapier des VKU eingesetzt. Besonders positiv ist weiterhin das beabsichtigte Zusammenspiel von öffentlichen Garantien und privatem Kapital im Bereich der Investitionsfinanzierung. Der in Aussicht gestellte Investitionsfonds für Energieinfrastruktur orientiert sich an Vorschlägen des VKU und BDEW.
 
Der Koalitionsvertrag formuliert außerdem die Absicht, Unternehmen und Verbraucher beim Strompreis dauerhaft um mindestens 5 Cent / kWh zu entlasten. Die in diesem Zusammenhang genannte Senkung von Umlagen knüpft an VKU-Vorschläge an. Denn neben der begrüßenswerten Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß sowie der Übertragungsnetzentgelte braucht es für eine gleichmäßige Entlastung auch Zuschüsse zu netzseitigen Umlagen.
 
Für die Versorgungssicherheit sind schnellstmögliche Kraftwerksausschreibungen vorgesehen, ergänzt um einen marktwirtschaftlichen und technologieoffenen Kapazitätsmechanismus. Dieser soll neben Erzeugungsanlagen auch Speicher und Flexibilitäten umfassen. Explizit wird in diesem Kontext der Zubau von bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung bis 2030 angekündigt. Besonders kritisch ist jedoch die weiterhin formulierte Absicht, Reservekraftwerke zur Stabilisierung des Strompreises einzusetzen. Gegen diese – ggf. auch europarechtswidrige – Vorgehensweise, die den Energy-Only-Markt erheblich verstören und die Energiewende eher verteuern denn verbilligen würde, wird sich der VKU mit aller Kraft einsetzen.
 
Zur zukünftigen Wärmeversorgung enthält der Koalitionsvertrag wichtige und richtige Impulse. Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) soll gesetzlich verankert und aufgestockt werden. Dafür hatte sich der VKU vehement eingesetzt. Positiv ist ebenfalls die angekündigte, zügige Überarbeitung und Modernisierung der AVBFernwärmeVO und WärmelieferVO unter expliziter Berücksichtigung der Interessen von Versorgungsunternehmen. Das GEG soll vordergründig „abgeschafft“ werden, was als Formulierung zu Recht für Verunsicherung sorgt. Im Kern wird es bei einer Reform aber um eine Straffung und Vereinfachung von Regeln gehen, für die sich auch der VKU eingesetzt hatte. Denn eine vollständige „Rolle rückwärts“ verhindert schon die europäische Gebäuderichtlinie. Auch die Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung soll vereinfacht werden. Besonders zu begrüßen sind auch die explizite Anerkennung der Potenziale der KWK und die damit verbundene Absicht zur zeitnahen, zukunftsorientierten Novellierung des KWKG.
 
Die zukünftigen Koalitionäre stellen ihre Maßnahmen in Teilen unter Vorbehalt eines bis zur Sommerpause 2025 anzufertigenden Monitorings, welches den zu erwartenden Strombedarf, den Stand der Versorgungssicherheit sowie des Netzausbaus und weiterer Elemente beinhalten soll. Für uns als VKU gilt es, trotz aller positiven Signale des Koalitionsvertrags mit Wachsamkeit und Sorgfalt auf die weiteren Diskussionen und die Umsetzung der beabsichtigten Maßnahmen zu blicken.

2. Wasserwirtschaft
 
Erstmals greift ein Koalitionsvertrag den „Schatz unter der Straße“, die Infrastruktur für die Wasserver- und Abwasserentsorgung als wichtiges Thema auf. Die Koalitionspartner wollen diese langfristig preisstabil und bedarfsgerecht gestalten. Zudem soll die Finanzierung notwendiger Infrastrukturmaßnahmen verbessert und blau-grüne Infrastruktur gefördert werden. Die aktuelle VKU-Studie zum Investitionsbedarf in der Wasserwirtschaft kam hier genau zum richtigen Zeitpunkt, um das Thema in der Öffentlichkeit und in den Koalitionsverhandlungen zu setzen.
 
Grundsätzlich positiv ist, dass die priorisierten Maßnahmen der Nationalen Wasserstrategie umgesetzt und in Zusammenarbeit mit den Ländern weiterentwickelt werden sollen, etwa die mögliche Vermeidung von Nutzungskonkurrenzen und Entwicklung von Leitlinien. Allerdings muss die Umsetzung endlich deutlich beschleunigt werden, da der gesamte Prozess der Wasserstrategie jetzt in die dritte Legislaturperiode geht.
 
Der Koalitionsvertrag bekennt sich unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten und der Verhältnismäßigkeit zum Verursacherprinzip. Die Formulierung ist zwar etwas relativierend mit Blick auf die nationale Umsetzung der Kommunalabwasserrichtlinie und die Verankerung der erweiterten Herstellerverantwortung zur Finanzierung weitergehender Abwasserbehandlungsmaßnahmen. Gleichzeitig aber ist es ein wichtiges Signal für notwendige Überlegungen, eine erweiterte Herstellerverantwortung auch für den Trinkwasserbereich zu etablieren.
 
Positiv ist die Vereinbarung, die Klimaanpassungsstrategie umzusetzen und dazu die bestehenden Förderprogramme zielgerichtet und effizient zu nutzen und gegebenenfalls anzupassen. Auch die Finanzierung von Vorsorgemaßnahmen mit den Ländern und die Unterstützung der Kommunen bei der Anpassung an den Klimawandel sind wichtige Schritte. Mit dem Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung sowie der Prüfung einer Gemeinschaftsaufgabe greift die Koalition eine zentrale Forderung der Wasserwirtschaft auf. Allerdings ist aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zur Einführung im Grundgesetz in dieser Legislatur unwahrscheinlich.
 
Eher kritisch sind die Aussagen zur Abschaffung der Stoffstrombilanz sowie die zögerlichen Festlegungen zur Ersetzung von PFAS.
 
3. Abfallwirtschaft
 
Zur Kreislaufwirtschaft finden sich in verschiedenen Kapiteln des Koalitionsvertrages wichtige Verabredungen, mit denen die kommunale Entsorgungswirtschaft gut arbeiten kann. So wollen die Koalitionäre die noch von der vorherigen Bundesregierung beschlossene Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) pragmatisch umsetzen und eine Digitalisierungsinitiative zur Schließung von Stoffkreisläufen starten. An anderer Stelle heißt es, dass auf Grundlage der NKWS ein Eckpunktepapier mit kurzfristig realisierbaren Maßnahmen erarbeitet werden soll. Damit geht die NKWS nicht verloren, sie wird aber wohl auch nicht vollständig und bruchlos zur Arbeitsgrundlage der neuen Bundesregierung.
 
Das chemische Recycling wird besonders beachtet, da die Koalitionäre die Kreislaufwirtschaft und das chemische Recycling von Kunststoffen unterstützen wollen. Es soll in die bestehende Abfallhierarchie eingefügt werden. Aufgrund des hohen Energiebedarfs und der der Gefahr einer Schwächung des mechanischen/werkstofflichen Recycling, ist das chemische Recycling nach unserer Einschätzung kritisch.
 
Weiter soll eine Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung eingeführt und notwendige Anlagen für die verstärkte Nutzung von Recycling-Baustoffen ermöglicht werden. Damit wird ein Projekt aus der letzten Legislaturperiode aufgegriffen, das aufgrund starker Kritik aus der Branche gescheitert war.
 
Zu begrüßen ist die Ankündigung, umgehend ein Gesetzespaket zu beschließen, welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des Industriesektors ermöglicht. Schon die Ampel-Regierung hatte erkannt, dass die thermische Abfallbehandlung für ihre Dekarbonisierung auf CO2-Abscheidungstechnologien angewiesen ist, konnte jedoch die Novelle des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes nicht abschließen.
 
Positiv zu bewerten ist ebenfalls das Bekenntnis, technisch unvermeidbare Abwärme – wozu auch die Abwärme aus der thermischen Abfallbehandlung zählt – diskriminierungsfrei zu nutzen und deren Einspeisung in Fernwärmenetze zu erleichtern.
 
Im Textilbereich soll eine erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt werden. Zwar wird dieser Schritt durch die novellierte Abfallrahmenrichtlinie ohnehin vom deutschen Gesetzgeber gefordert, dennoch ist es positiv, dass das Thema explizit im Koalitionsvertrag aufgegriffen wird.
 
Interessant und positiv sind schließlich Ausführung zu den kommunalen Fuhrparks. Die Koalitionspartner sprechen sich für die Förderung einer Wasserstoff-Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge aus und wollen den flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw vorantreiben. Damit besteht die begründete Hoffnung, dass für die Umstellung der kommunalen Fuhrparks auf alternative Antriebe wieder Fördermittel mobilisiert werden können, wofür sich der VKU stets stark gemacht hatte (Stichwort KsNI).

4. Recht, Finanzen und Steuern
 
Die Finanzierungsnotwendigkeiten in der Daseinsvorsorge werden anerkannt. Neben den Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur (s.o.), enthält der Koalitionsvertrag auch ein Bekenntnis zum steuerlichen Querverbund und die Bereitschaft, diesen als wichtige Säule der Finanzierung weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang ist auch die angekündigte Förderung von Schwimmbädern als richtiger Schritt zu sehen. Zur notwendigen Stärkung der Innenfinanzierungskraft der kommunalen Unternehmen können in Abhängigkeit der konkreten Ausgestaltung zudem die angekündigten degressiven Abschreibungen auf Ausrüstungsinvestitionen beitragen.

5. Bürokratieabbau
 
Bürokratieabbau wird in vielfacher Weise angegangen: Dokumentations-, Berichts- und Statistikpflichten sollen überprüft und abgebaut werden, die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 % reduziert werden. Auf europäischer Ebene will sich die Koalition für eine Reduzierung der Bürokratie einsetzen, insbesondere auch in Bezug auf Nachhaltigkeitsberichtserstattung, Lieferkettensorgfaltspflichten und Taxonomie. Die Koalitionspartner wollen darauf hinwirken, dass auf EU-Ebene kommunale Unternehmen auch als KMU angesehen werden können. Bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht sollen bürokratische Übererfüllung ausgeschlossen und Parallelregulierungen auf europäischer und nationaler Ebene abgelehnt werden. Vereinfachungen werden auch im Beihilfe-, Vergabe- und im Datenschutzrecht angestrebt. Die Dauer und Komplexität von Genehmigungsverfahren soll deutlich reduziert werden, insbesondere auch um die Energiewende zu sichern.
6. Kritische Infrastruktur
 
In Bezug auf kritische Infrastrukturen begrüßen wir, dass eine zügige Umsetzung von NIS2-Umsetzungsgesetz / KritisDachG vorgesehen ist und das BSI zur Zentralstelle ausgebaut werden soll. Ebenso sind die angestrebte engere Zusammenarbeit von Bund und Ländern und die Förderung von KMU bei der Cybersecurity positiv zu werten. Gleiches gilt für die beabsichtigte Änderung der Rechtslage in der Zivilen Verteidigung, die eine Handlungsfähigkeit bereits vor dem Spannungs- und Verteidigungsfall ermöglichen soll.

7. Digitales und Telekommunikation
 
Unter Leitung der CDU wird ein neues Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung geschaffen – eine Forderung, die auch der VKU seit Langem erhebt.
 
Die Themenkomplexe Datengovernance und KI sind positiv zu bewerten: Die Koalitionspartner wollen Datennutzung und -teilen forcieren. Zudem soll die Resilienz unseres Landes durch bessere IT-Sicherheit, besonders bei kritischen Infrastrukturen, gestärkt werden.
 
Auch der Rechenzentrumsstandort Deutschland soll durch Clusterbildung und dezentrale Ansiedlungen gefördert werden. Weiter soll durch eine Digitalisierungsoffensive bei Stromnetzbetreibern und mehr Transparenz über Netzanschlusskapazitäten die Planung und Integration von Rechenzentren in das Stromnetz erleichtert werden.
 
Der Koalitionsvertrag geht bei der digitalen Infrastruktur in die richtige Richtung. Der Eintritt in die Glasfaserwelt soll in einem strukturierten sowie markt- und verbraucherfreundlichen Verfahren erfolgen, das die Abkehr von den alten Kupfernetzen vorsieht. Durch eine auskömmliche Mittelausstattung sollen zudem jene Regionen beim Glasfaserausbau mitgenommen werden, die keine Aussicht auf einen eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau haben. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch, dass sich die neue Bundesregierung beim volkswirtschaftlich kontraproduktiven Überbau von Glasfasernetzen vorerst weiterhin auf das bloße Monitoring beschränken will.
 
Ausblick
 
Der Koalitionsvertrag steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die beteiligten Parteien. Die offizielle Unterzeichnung ist für den 30. April geplant.
 
Der VKU analysiert derzeit den rund 140-seitigen Vertrag im Detail und bereitet eine vertiefte Bewertung der Auswirkungen auf die Kommunalwirtschaft vor.



Copyright: © Verband Kommunaler Unternhemen e.V. (VKU) (11.04.2025)
 
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