- Energiewirtschaft
- Wasserwirtschaft
- Abfallwirtschaft
- Recht,
- Finanzen und Steuern
- Bürokratieabbau
- Kritische
Infrastruktur
- Digitales
und Telekommunikation
1.
Energiewirtschaft
Klimapolitisch halten die Parteien an den deutschen und europäischen
Klimazielen fest, was wir begrüßen. Ein neues EU-Zwischenziel für 2040 wird
jedoch nur dann unterstützt, wenn es keine Verschärfungen gegenüber dem bereits
äußerst ambitionierten deutschen 2040-Zwischenziel im Bundes-Klimaschutzgesetz
mit sich bringt. Genau dafür hatte sich der VKU gemeinsam mit der DIHK im
Rahmen einer gemeinsamen Studie eingesetzt. Auch bleibt die CO2-Bepreisung
zentrales Element der Klimapolitik. Bei der Nutzung von CO2-Preis-Einnahmen
stellt der Koalitionsvertrag Entlastungen in den Bereichen Wohnen und Mobilität
in Aussicht. Eine vom VKU kritisch betrachtete pauschale Rückverteilung ohne
Zweckbindung („Klimageld“) wird zwar nicht explizit ausgeschlossen, erscheint
angesichts sehr begrenzter Spielräume im Bundeshaushalt für so eine Art von
Maßnahme aber als unwahrscheinlich.
Energiepolitisch sind eine Vielzahl an positiven Verhandlungsergebnissen
enthalten, für die sich der VKU im Vorfeld stark gemacht hatte. Institutionell
betrachtet bleibt es bei der Verankerung der Zuständigkeit für alle
energiepolitischen Fragen im Bundeswirtschaftsministerium (zukünftig unter
Führung der CDU), während die Federführung für den Klimaschutz wieder ins Bundesumweltministerium
zurückverlagert wird, wo sie bis 2021 bereits angesiedelt war (zukünftig unter
Führung der SPD). Damit ist die Gefahr einer Aufspaltung der
Energiezuständigkeit, etwa die zwischenzeitlich diskutierte teilweise
Ausgliederung in ein neues Infrastrukturministerium, gebannt.
Positiv ist des Weiteren das klare Bekenntnis zum weiteren kraftvollen
Ausbau der Erneuerbaren Energien inkl. Bioenergie und Geothermie bei einem
stärkeren Fokus auf Systemdienlichkeit und Kosteneffizienz beim Umbau des
Energiesystems. Dies gilt etwa für den weiteren Stromnetzausbau und die
Erschließung von Flexibilitäten. Genau für diese veränderte Herangehensweise
haben wir uns mit unserem „Neustart für die Energiewende“-Positionspapier des
VKU eingesetzt. Besonders positiv ist weiterhin das beabsichtigte Zusammenspiel
von öffentlichen Garantien und privatem Kapital im Bereich der
Investitionsfinanzierung. Der in Aussicht gestellte Investitionsfonds für
Energieinfrastruktur orientiert sich an Vorschlägen des VKU und BDEW.
Der Koalitionsvertrag formuliert außerdem die Absicht, Unternehmen und
Verbraucher beim Strompreis dauerhaft um mindestens 5 Cent / kWh zu
entlasten. Die in diesem Zusammenhang genannte Senkung von Umlagen knüpft an
VKU-Vorschläge an. Denn neben der begrüßenswerten Senkung der Stromsteuer auf
das europäische Mindestmaß sowie der Übertragungsnetzentgelte braucht es für
eine gleichmäßige Entlastung auch Zuschüsse zu netzseitigen Umlagen.
Für die Versorgungssicherheit sind schnellstmögliche
Kraftwerksausschreibungen vorgesehen, ergänzt um einen marktwirtschaftlichen
und technologieoffenen Kapazitätsmechanismus. Dieser soll neben
Erzeugungsanlagen auch Speicher und Flexibilitäten umfassen. Explizit wird in
diesem Kontext der Zubau von bis zu 20 GW Gaskraftwerksleistung bis 2030
angekündigt. Besonders kritisch ist jedoch die weiterhin formulierte Absicht,
Reservekraftwerke zur Stabilisierung des Strompreises einzusetzen. Gegen diese
– ggf. auch europarechtswidrige – Vorgehensweise, die den Energy-Only-Markt
erheblich verstören und die Energiewende eher verteuern denn verbilligen würde,
wird sich der VKU mit aller Kraft einsetzen.
Zur zukünftigen Wärmeversorgung enthält der Koalitionsvertrag wichtige
und richtige Impulse. Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) soll
gesetzlich verankert und aufgestockt werden. Dafür hatte sich der VKU vehement
eingesetzt. Positiv ist ebenfalls die angekündigte, zügige Überarbeitung und
Modernisierung der AVBFernwärmeVO und WärmelieferVO unter expliziter Berücksichtigung
der Interessen von Versorgungsunternehmen. Das GEG soll vordergründig
„abgeschafft“ werden, was als Formulierung zu Recht für Verunsicherung sorgt.
Im Kern wird es bei einer Reform aber um eine Straffung und Vereinfachung von
Regeln gehen, für die sich auch der VKU eingesetzt hatte. Denn eine
vollständige „Rolle rückwärts“ verhindert schon die europäische
Gebäuderichtlinie. Auch die Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung soll
vereinfacht werden. Besonders zu begrüßen sind auch die explizite Anerkennung
der Potenziale der KWK und die damit verbundene Absicht zur zeitnahen,
zukunftsorientierten Novellierung des KWKG.
Die zukünftigen Koalitionäre stellen ihre Maßnahmen in Teilen unter Vorbehalt
eines bis zur Sommerpause 2025 anzufertigenden Monitorings, welches den zu
erwartenden Strombedarf, den Stand der Versorgungssicherheit sowie des
Netzausbaus und weiterer Elemente beinhalten soll. Für uns als VKU gilt es,
trotz aller positiven Signale des Koalitionsvertrags mit Wachsamkeit und
Sorgfalt auf die weiteren Diskussionen und die Umsetzung der beabsichtigten
Maßnahmen zu blicken.
2.
Wasserwirtschaft
Erstmals greift ein Koalitionsvertrag den „Schatz unter der Straße“, die
Infrastruktur für die Wasserver- und Abwasserentsorgung als wichtiges Thema
auf. Die Koalitionspartner wollen diese langfristig preisstabil und
bedarfsgerecht gestalten. Zudem soll die Finanzierung notwendiger
Infrastrukturmaßnahmen verbessert und blau-grüne Infrastruktur gefördert
werden. Die aktuelle VKU-Studie zum Investitionsbedarf in der Wasserwirtschaft
kam hier genau zum richtigen Zeitpunkt, um das Thema in der Öffentlichkeit und
in den Koalitionsverhandlungen zu setzen.
Grundsätzlich positiv ist, dass die priorisierten Maßnahmen der Nationalen
Wasserstrategie umgesetzt und in Zusammenarbeit mit den Ländern
weiterentwickelt werden sollen, etwa die mögliche Vermeidung von
Nutzungskonkurrenzen und Entwicklung von Leitlinien. Allerdings muss die
Umsetzung endlich deutlich beschleunigt werden, da der gesamte Prozess der
Wasserstrategie jetzt in die dritte Legislaturperiode geht.
Der Koalitionsvertrag bekennt sich unter Berücksichtigung regionaler
Gegebenheiten und der Verhältnismäßigkeit zum Verursacherprinzip. Die
Formulierung ist zwar etwas relativierend mit Blick auf die nationale Umsetzung
der Kommunalabwasserrichtlinie und die Verankerung der erweiterten
Herstellerverantwortung zur Finanzierung weitergehender
Abwasserbehandlungsmaßnahmen. Gleichzeitig aber ist es ein wichtiges Signal für
notwendige Überlegungen, eine erweiterte Herstellerverantwortung auch für den
Trinkwasserbereich zu etablieren.
Positiv ist die Vereinbarung, die Klimaanpassungsstrategie umzusetzen
und dazu die bestehenden Förderprogramme zielgerichtet und effizient zu nutzen
und gegebenenfalls anzupassen. Auch die Finanzierung von Vorsorgemaßnahmen mit
den Ländern und die Unterstützung der Kommunen bei der Anpassung an den
Klimawandel sind wichtige Schritte. Mit dem Sonderrahmenplan Naturschutz und
Klimaanpassung sowie der Prüfung einer Gemeinschaftsaufgabe greift die
Koalition eine zentrale Forderung der Wasserwirtschaft auf. Allerdings ist
aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit zur
Einführung im Grundgesetz in dieser Legislatur unwahrscheinlich.
Eher kritisch sind die Aussagen zur Abschaffung der Stoffstrombilanz sowie die
zögerlichen Festlegungen zur Ersetzung von PFAS.
3.
Abfallwirtschaft
Zur Kreislaufwirtschaft finden sich in verschiedenen Kapiteln des
Koalitionsvertrages wichtige Verabredungen, mit denen die kommunale
Entsorgungswirtschaft gut arbeiten kann. So wollen die Koalitionäre die noch
von der vorherigen Bundesregierung beschlossene Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie
(NKWS) pragmatisch umsetzen und eine Digitalisierungsinitiative zur Schließung
von Stoffkreisläufen starten. An anderer Stelle heißt es, dass auf Grundlage
der NKWS ein Eckpunktepapier mit kurzfristig realisierbaren Maßnahmen
erarbeitet werden soll. Damit geht die NKWS nicht verloren, sie wird aber wohl
auch nicht vollständig und bruchlos zur Arbeitsgrundlage der neuen
Bundesregierung.
Das chemische Recycling wird besonders beachtet, da die Koalitionäre die
Kreislaufwirtschaft und das chemische Recycling von Kunststoffen unterstützen
wollen. Es soll in die bestehende Abfallhierarchie eingefügt werden. Aufgrund
des hohen Energiebedarfs und der der Gefahr einer Schwächung des
mechanischen/werkstofflichen Recycling, ist das chemische Recycling nach
unserer Einschätzung kritisch.
Weiter soll eine Abfallende-Regelung in der Ersatzbaustoffverordnung
eingeführt und notwendige Anlagen für die verstärkte Nutzung von
Recycling-Baustoffen ermöglicht werden. Damit wird ein Projekt aus der letzten
Legislaturperiode aufgegriffen, das aufgrund starker Kritik aus der Branche gescheitert
war.
Zu begrüßen ist die Ankündigung, umgehend ein Gesetzespaket zu beschließen,
welches die Abscheidung, den Transport, die Nutzung und die Speicherung von
Kohlendioxid insbesondere für schwer vermeidbare Emissionen des
Industriesektors ermöglicht. Schon die Ampel-Regierung hatte erkannt, dass die
thermische Abfallbehandlung für ihre Dekarbonisierung auf
CO2-Abscheidungstechnologien angewiesen ist, konnte jedoch die Novelle des
Kohlendioxidspeicherungsgesetzes nicht abschließen.
Positiv zu bewerten ist ebenfalls das Bekenntnis, technisch unvermeidbare
Abwärme – wozu auch die Abwärme aus der thermischen Abfallbehandlung zählt
– diskriminierungsfrei zu nutzen und deren Einspeisung in Fernwärmenetze zu
erleichtern.
Im Textilbereich soll eine erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt
werden. Zwar wird dieser Schritt durch die novellierte Abfallrahmenrichtlinie
ohnehin vom deutschen Gesetzgeber gefordert, dennoch ist es positiv, dass das
Thema explizit im Koalitionsvertrag aufgegriffen wird.
Interessant und positiv sind schließlich Ausführung zu den kommunalen
Fuhrparks. Die Koalitionspartner sprechen sich für die Förderung einer
Wasserstoff-Ladeinfrastruktur für Nutzfahrzeuge aus und wollen den
flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw vorantreiben.
Damit besteht die begründete Hoffnung, dass für die Umstellung der kommunalen
Fuhrparks auf alternative Antriebe wieder Fördermittel mobilisiert werden
können, wofür sich der VKU stets stark gemacht hatte (Stichwort KsNI).
4. Recht,
Finanzen und Steuern
Die Finanzierungsnotwendigkeiten in der Daseinsvorsorge werden anerkannt. Neben
den Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur (s.o.), enthält der
Koalitionsvertrag auch ein Bekenntnis zum steuerlichen Querverbund und
die Bereitschaft, diesen als wichtige Säule der Finanzierung
weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang ist auch die angekündigte Förderung
von Schwimmbädern als richtiger Schritt zu sehen. Zur notwendigen Stärkung
der Innenfinanzierungskraft der kommunalen Unternehmen können in
Abhängigkeit der konkreten Ausgestaltung zudem die angekündigten degressiven
Abschreibungen auf Ausrüstungsinvestitionen beitragen.
5.
Bürokratieabbau
Bürokratieabbau wird in vielfacher Weise angegangen: Dokumentations-,
Berichts- und Statistikpflichten sollen überprüft und abgebaut werden, die
Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 % reduziert werden. Auf europäischer
Ebene will sich die Koalition für eine Reduzierung der Bürokratie einsetzen,
insbesondere auch in Bezug auf Nachhaltigkeitsberichtserstattung,
Lieferkettensorgfaltspflichten und Taxonomie. Die Koalitionspartner wollen
darauf hinwirken, dass auf EU-Ebene kommunale Unternehmen auch als KMU
angesehen werden können. Bei der Umsetzung von EU-Recht in nationales Recht
sollen bürokratische Übererfüllung ausgeschlossen und Parallelregulierungen auf
europäischer und nationaler Ebene abgelehnt werden. Vereinfachungen werden auch
im Beihilfe-, Vergabe- und im Datenschutzrecht angestrebt. Die Dauer und
Komplexität von Genehmigungsverfahren soll deutlich reduziert werden,
insbesondere auch um die Energiewende zu sichern.
6.
Kritische Infrastruktur
In Bezug auf kritische Infrastrukturen begrüßen wir, dass eine zügige Umsetzung
von NIS2-Umsetzungsgesetz / KritisDachG vorgesehen ist und das BSI zur
Zentralstelle ausgebaut werden soll. Ebenso sind die angestrebte engere
Zusammenarbeit von Bund und Ländern und die Förderung von KMU bei der Cybersecurity
positiv zu werten. Gleiches gilt für die beabsichtigte Änderung der Rechtslage
in der Zivilen Verteidigung, die eine Handlungsfähigkeit bereits vor dem Spannungs-
und Verteidigungsfall ermöglichen soll.
7.
Digitales und Telekommunikation
Unter Leitung der CDU wird ein neues Ministerium für Digitalisierung und
Staatsmodernisierung geschaffen – eine Forderung, die auch der VKU seit
Langem erhebt.
Die Themenkomplexe Datengovernance und KI sind positiv zu
bewerten: Die Koalitionspartner wollen Datennutzung und -teilen forcieren.
Zudem soll die Resilienz unseres Landes durch bessere IT-Sicherheit, besonders
bei kritischen Infrastrukturen, gestärkt werden.
Auch der Rechenzentrumsstandort Deutschland soll durch Clusterbildung
und dezentrale Ansiedlungen gefördert werden. Weiter soll durch eine
Digitalisierungsoffensive bei Stromnetzbetreibern und mehr Transparenz über
Netzanschlusskapazitäten die Planung und Integration von Rechenzentren in das
Stromnetz erleichtert werden.
Der Koalitionsvertrag geht bei der digitalen Infrastruktur in die
richtige Richtung. Der Eintritt in die Glasfaserwelt soll in einem
strukturierten sowie markt- und verbraucherfreundlichen Verfahren erfolgen, das
die Abkehr von den alten Kupfernetzen vorsieht. Durch eine auskömmliche
Mittelausstattung sollen zudem jene Regionen beim Glasfaserausbau mitgenommen
werden, die keine Aussicht auf einen eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau
haben. Ein Wermutstropfen bleibt jedoch, dass sich die neue Bundesregierung
beim volkswirtschaftlich kontraproduktiven Überbau von Glasfasernetzen vorerst
weiterhin auf das bloße Monitoring beschränken will.
Ausblick Der Koalitionsvertrag steht noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch die
beteiligten Parteien. Die offizielle Unterzeichnung ist für den 30. April
geplant.
Der VKU analysiert derzeit den rund 140-seitigen Vertrag im Detail und bereitet
eine vertiefte Bewertung der Auswirkungen auf die Kommunalwirtschaft vor.