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EU-Kommission will Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen
Brüssel. Die Europäische Kommission setzt die Vertragsverletzungsverfahren fort, die sie in acht Fällen gegen Großbritannien wegen Verstößen gegen das EG-Umweltrecht eingeleit hatte. In dem am längsten anhängigen Verfahren hat Großbritannien eine erste schriftliche Mahnung wegen der Nichtbefolgung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs erhalten, mit dem die sichere Bewirtschaftung gefährlicher Abfälle angemahnt wurde. In zwei weiteren Fällen in bezug auf die Behandlung kommunaler Abwässer wird gegen Großbritannien vor Gericht Klage erhoben. In den fünf übrigen Fällen, Nichteinhaltung der EG-Bestimmungen zu Lärm, zum Schutz der Ozonschicht und zu Elektro- und Elektronikaltgeräten, hat Großbritannien letzte Mahnungen erhalten, bevor das Gericht angerufen werden könnte. Wie die Kommission im Juli mitteilte, seien diese Maßnahmen nur ein Teil der Verfahren, die die Kommission derzeit gegen mehrere Mitgliedstaaten wegen Verletzung des Umweltrechts eingeleitet habe.
Wie EU-Umweltkomissar Stavros Dimasberichtet, hat die EU-Kommission Großbritannien eine erste schriftliche Mahnung zukommen lassen, weil der Mitgliedstaat ein Urteil des Europäischen Gerichtshof vom 12. Oktober 2004 (Rechtssache C-431/02) nicht berücksichtigte. Das Urteil bezieht sich darauf, dass Großbritannien es versäumt hat, eine EG-Vorschrift[1], mit der die sichere Bewirtschaftung gefährlicher Abfälle gewährleistet werden soll, vollständig in einzelstaatliches Recht umzusetzen. Mit dieser Richtlinie werden europaweite Normen für die Identifizierung, Bewirtschaftung, Lagerung, Transport, Rückgewinnung und korrekte Ablagerung gefährlicher Abfälle festgelegt, mit denen sichergestellt wird, dass diese weder den Menschen noch die Umwelt schädigen.
Auf dieses Urteil hin hat Großbritannien neue Rechtsvorschriften für Schottland erlassen, die den überwiegenden Teil der in dem Urteil enthaltenen Auflagen erfüllen, und mitgeteilt, dass neue Rechtsvorschriften auch für das restliche Vereinigte Königreich im Laufe des Jahres 2005 verabschiedet werden. Bislang hat die Kommission eigenen Angaben zufolge jedoch keine weiteren Informationen von Großbritannien erhalten.
Die Kommission wird den Angaben zufolge Großbritannien vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen, da es versäumt hat, die Abwässer aus 13 Ballungsgebieten mit über 15.000 Einwohnern in geeigneter Weise zu behandeln. Für Städte und Ballungsgebiete dieser Größe verlangt die EG-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser[2] die Einrichtung von Kanalisationsnetzen und eine so genannte Zweitbehandlung[3] (biologische Klärstufe) bis zum 31. Dezember 2000.
Kommunales Abwasser kann mit Bakterien und Viren verschmutzt sein, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen. Zudem kann es Nährstoffe enthalten, die das natürliche Gleichgewicht der Flüsse und Seen, in die das Abwasser eingeleitet wird, stören. So bewirken insbesondere hohe Phosphor- und Stickstoffwerte ein starkes Wachstum von Algen und anderen Wasserpflanzen. Dieser als Eutrophierung“ bekannte Prozess führt zu einem niedrigen Sauerstoffgehalt der Gewässer, wodurch das Leben von Fischen in Gefahr gebracht wird und das Wasser sich nicht mehr zur Verwendung als Trinkwasser eignet. Die Einleitungen enthalten möglicherweise schädliche Bakterien und Viren und können damit auch die menschliche Gesundheit gefährden, wenn sie in Gewässer gelangen, die zum Baden oder zur Schalentierzucht genutzt werden. Daher schreibt die Richtlinie über die Behandlung kommunaler Abwasser vor, dass Ballungsgebiete Mindestnormen an die Abwasserkanalisierung und -behandlung erfüllen müssen.
Die Kommission hat im Juli 2004 Großbritannien eine erste schriftliche Mahnung und danach im Dezember 2004 eine zweite schriftliche Mahnung übermittelt. Bislang wurden jedoch in 13 Städten und Ballungsgebieten, vor allem in Nordirland, immer noch keine Kanalisationsnetze und Zweitbehandlungsanlagen eingerichtet. Die Lage in Nordirland könnte sich weiter verschlechtern durch die Entscheidung, neue Bauvorhaben von erheblichem Umfang in Gebieten zu genehmigen, in denen noch keine angemessene Abwasserbehandlung erfolgt.
Hiervon betroffen sind die folgenden nordirischen Städte: Bangor, Carrickfergus, Coleraine, Londonderry, Larne, Newtownabbey, Omagh, Portrush und . Donaghadee Bei den übrigen vier Städten handelt es sich um Broadstairs und Margate (beide in Kent), Brighton (Südküste) and Lerwick (Schottland).
Mit der Abwasser-Richtlinie waren die Mitgliedstaaten auch aufgefordert, bis zum 31. Dezember 1993 Flüsse und Küstengewässer auszuweisen, die empfindlich auf die Verschmutzung durch Abwassereinleitungen reagieren und diese Liste alle vier Jahre zu aktualisieren. Die erste Überprüfung war daher im Dezember 1997 fällig. Hierbei ist die Sensibilität des aufnehmenden Gewässers für den Grad der Behandlung ausschlaggebend, die das Abwasser vor der Einleitung durchlaufen muss.
Eine Auswertung der von Großbritannien 1997 vorgelegten Übersicht ergab, dass aufgrund einer äußerst restriktiven Auslegung empfindlicher Gewässer nicht alle Flüsse und Küstengewässer ausgewiesen und geschützt wurden, die Gefahr liefen zu eutrophieren. Die Kommission übersandte im November 1999 eine erste und im April 2001 eine zweite schriftliche Mahnung.
Als Reaktion hierauf übermittelte Großbritannien zusätzliche Informationen und erläuterte seinen Ansatz. Überprüfungen der von Großbritannien vorgelegten Listen ergaben jedoch, dass diese nicht vollständig waren.
Parallel hierzu waren die Nichtausweisung empfindlicher Flüsse und Küstengewässer in Nordirland sowie der fehlende Schutz von Flüssen und Küstengewässern, die als empfindlich ausgewiesen wurden, Gegenstand eines weiteren Vertragsverletzungsverfahrens. Hier übersandte die Kommission im Juli 2003 eine erste und im Juli 2004 eine zweite schriftliche Mahnung. Die Kommission wird jetzt diese beiden Fälle zusammenfassen und vor dem Gerichtshof Klage erheben.
Großbritannien wurde eine letzte Mahnung übermittelt, bevor die Kommission in dieser Angelegenheit das Gericht anrufen kann, da EG-Vorschriften zu Stoffen, die zum Abbau der Ozonschicht führen[4], nicht eingehalten wurden. Mit dieser Verordnung, mit der das Montrealer Protokoll von 1987 in EG-Recht umgesetzt wird, soll die Verwendung von Stoffen, die die Ozonschicht zerstören, beschränkt und letztendlich eingestellt werden. Die Ozonschicht schützt die Erde vor schädlichen Sonnenstrahlen, die beim Menschen zu Hautkrebs und Erblindung führen, aber auch Tiere und Pflanzen beeinträchtigen können.
Großbritannien hat die Mindestanforderungen an das Personal nicht festgelegt, das im Bereich der Zurückgewinnung, des Recyclings und der Vernichtung der Ozon abbauenden Stoffe tätig ist. Ferner wartet die Kommission immer noch auf die Bestätigung, dass die notwendigen Systeme für die Rückgewinnung, das Recycling und die Vernichtung der Stoffe, die aus Gibraltar stammen, eingerichtet wurden. Ferner wurde bislang nicht aufgezeigt, dass für das speziell auf diesem Gebiet tätige Personal Mindestanforderungen festgelegt wurden.
Eine erste schriftliche Mahnung erfolgte am 30. März 2004, auf die Großbritannien mit Schreiben vom 1. Juni 2004 reagierte, ohne jedoch damit die offenen Fragen zu klären.
Ebenso wie mehrere andere Mitgliedstaaten hat auch Großbritannien letzte Mahnungen vor einer eventuellen Klage vor Gericht erhalten, da EG-Vorschriften nicht in nationales Recht umgesetzt wurden. Dies betrifft die EG-Vorschrift zu Lärm[5], die bis zum 18. Juli 2004 umgesetzt werden musste, und die Richtlinien zu Elektro- und Elektronik-Altgeräten[6], die bis zum 13. August 2004 umgesetzt werden mussten.
Erläuterung:
Aktuelle Statistiken zu Vertragsverletzungsverfahren:
http://europa.eu.int/comm/secretariat_general/sgb/droit_com/index_en.htm#infractions
Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften:
http://curia.eu.int/en/content/juris/index.htm
Kontakt: Europäische Kommission, Vertretung in Deutschland, Unter den Linden 78, D-10117 Berlin, Tel. 030.2280 - 2000, Fax: -2280-2222, eMail: eu-de-kommission@cec.eu.int, Internet: www.eu-kommission.de
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