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Es kann ein Dilemma für eine Kommune sein: Einerseits wird ein Verstoß gegen geltendes Vergaberecht festgestellt, andererseits sieht der betr.
Vertrag bis auf Weiteres keine Kündigungsmöglichkeit vor und es drohen Schadenersatzforderungen des Vertragspartners, wird der Vertrag gleichwohl beendet. Das Landgericht München hat in dem Rechtsstreit zwischen Remondis und der Landeshauptstadt München mit – noch nicht rechtskräftigem – Urteil vom 20.12.2005 (33 O 16465/04) einen Ausweg aufgezeigt und festgestellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen ein außerordentliches Kündigungsrecht des öffentlichen Auftraggebers besteht, wenn ein Vertrag unter Verstoß gegen das Vergaberecht geschlossen worden ist. Im gegebenen Fall war eine außerordentliche Kündigung nach Auffassung des Gerichts vor allem deshalb möglich, weil zunächst vom EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren ein Vergaberechtsverstoß festgestellt worden war, der als Änderung der Verhältnisse“ im Sinne des abgeschlossenen Vertrages zu berücksichtigen war und im Risikobereich beider Vertragsparteien lag. Eine daraufhin zwischen den Vertragsparteien geführte Verhandlung über die Anpassung des Vertrages war zudem gescheitert, als ultima ratio“ blieb nach Auffassung des Gerichts allein die außerordentliche Kündigung, zumal die EU-Kommission Druck auf den Auftraggeber ausgeübt hatte, den Vertrag zu beenden. Unter Würdigung der Vertragsrisiken und anderer Aspekte hielt das Gericht schließlich eine Kompensationszahlung“ für sachgerecht“, die jedoch lediglich 12,5 % der Forderung des Auftragnehmers entsprach.
Anwendung von § 313 BGB
Aus rechtlicher Sicht ist die Entscheidung insbesondere deshalb von Bedeutung, weil sich die Fachdiskussion über die Wirksamkeit bzw. den Fortsbestand vergleichbarer, ohne vorgehende Ausschreibung vergebener Verträge bislang im Regelfall allein mit den Voraussetzungen der Nichtigkeitsregelungen in §§ 134, 138 BGB befasst hat. Die Entscheidung zeigt somit einen weiteren Weg zur Beendigung solcher Verträge auf. Dabei wendet das Gericht § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB entsprechend an und führt dazu aus, dass es dem öffentlichen Auftraggeber aufgrund der Vorgaben des (hier: bayerischen) Kommunalrechts nicht zumutbar“ sei, sich entgegen dem Grundsatz der Recht- und Gesetzmäßigkeit des gemeindlichen Handelns bzw. der Verpflichtung zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung zu verhalten.
Ob auch in anderen ähnlichen Fällen ein außerordentliches Kündigungsrecht besteht, bedarf einer eingehenden Würdigung des jeweiligen Sachverhalts im Hinblick auf die zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsregelungen.
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