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Fachtagung vom 25.05.2023 in Kooperation mit der Stadtreinigung Hamburg und HiiCCE
Welche Potentiale bieten E-Fuels fĂĽr Wirtschaft und
Klimaschutz und wie entwickelt sich der rechtliche Rahmen, um einen
Hochlauf von CCU in Deutschland zu ermöglichen?
Diesen
Fragestellungen widmete sich die gemeinsam von der Stadtreinigung
Hamburg und der Deutschen Gesellschaft fĂĽr Abfallwirtschaft organisierte
und von HiiCCE durchgefĂĽhrte, hybride Fachtagung am 25.05.23 in
Hamburg. Mit Expert:innen aus Industrie, Wissenschaft, Politik und
Verwaltung wurde ĂĽber Chancen, Risiken und Herausforderungen bei der
Nutzung von CO2 aus der thermischen Abfallbehandlung zur
Synthese von erneuerbaren Kraftstoffen diskutiert. Die Aktualität des
Themas belegte die hohe Nachfrage mit mehr als einhundert Anmeldungen.
Um
die vorgegebenen Klimaschutzziele zu erreichen, ist ein ganzer StrauĂź
wirkungsvoller MaĂźnahmen zur Treibhausgasminderung zu definieren und
ambitioniert umzusetzen. Ein Baustein der Transformation im Transport-,
Verkehrs-, Luftverkehrs-, und Logistikwesen kann die Herstellung
erneuerbarer Kraftstoffe sein, um Emissionen in diesen Bereichen,
zumindest ĂĽbergangsweise, klimafreundlich zu gestalten. Die sogenannten
„E-Fuels“ sind aber „rares Gut“ und müssen vor allem dort zum Einsatz
kommen, wo eine reine Elektrifizierung oder Umstellung auf
Brennstoffzellenantriebe nicht möglich ist. Sie sind damit eine
Perspektive zur bilanziellen CO2-Emissionsminderung in der Schifffahrt und im Flugverkehr.
Eine Herausforderung: FĂĽr die Herstellung von E-Fuels mĂĽssen ausreichende Mengen erneuerbarer Energien und nachhaltige CO2-Quellen bereitstehen. Ein Potential, das thermische Abfallbehandlungsanlagen mitbringen. Das CO2 kann
direkt aus dem Rauchgas der thermischen Abfallbehandlung abgeschieden
und zur Synthese von E-Fuels genutzt werden (Carbon Capture and
Utilisation, CCU), hierfür ist zusätzlich „grüner“ Wasserstoff
erforderlich.
Den rechtlichen Rahmen beleuchtete zunächst Anastasios Perimenis, Generalsekretär von CO2 Value Europe.
Er machte deutlich, dass es in den kommenden Jahren noch einer Vielzahl
von Vorgaben insbesondere auf EU-Ebene bedarf, um zu einem klaren und
rechtssicheren Regelwerk fĂĽr die technische CO2-Nutzung zu
kommen. Diskussionsbedarf in Deutschland besteht zudem aufgrund der
Änderung des BEHG durch die Aufnahme der Abfallverbrennung in den
nationalen Emissionshandel und der damit verbundenen, zusätzlichen
finanziellen Belastung der TAB-Anlagenbetreiber ab 2024 sowie des Zwangs
zur Teilnahme am EU-ETS (RED III).
Die mangelnde juristische Regulatorik betonte auch Matthias Altmann, Senior Consultant der Ludwig Bölkow-Systemtechnik GmbH. Er
stellte das Projekt CertifHy vor, eine europäische Initiative, die
öffentliche und private Partner mit dem Ziel zusammenbringt, ein
gemeinsames Verständnis von erneuerbarem und kohlenstoffarmem
Wasserstoff zu entwickeln und Zertifizierungssysteme fĂĽr Wasserstoff fĂĽr
den europäischen Markt zur Verfügung zu stellen. Das Verfahren befindet
sich im Pilotstatus und soll Betreibern und Investoren
Planungssicherheit geben, sobald der Rechtsrahmen fĂĽr weitere Schritte
gegeben ist.
Durch die klimapolitischen Rahmenbedingungen in den Niederlanden ist ein Projekt zur CO2-Abscheidung in Delfzijl bereits weit fortgeschritten, welches Jörn Jakob, Projektleiter Innovation und Projektentwicklung der EEW Energy from Waste GmbH in seinem Vortrag „CCU/CCS – CO2-Reduktionssstrategie
von EEW für die thermische Abfallbehandlung“ vorstellte. Die an einer
Müllverwertungsanlage geplante Carbon Capture Anlage soll zunächst über
eine Abscheidekapazität von 270.000 Mg CO2/a verfügen, die bis 2030 um weitere 135.000 Mg CO2/a erweitert werden soll.
Als Praxisprojekt am Standort Hamburg erläuterte Jochen Springer, Projektmanager der HiiCCE GmbH,
den „Stand der Machbarkeitsstudie CCU an der Müllverwertung Rugenberger
Damm“. Das ambitionierte Ziel der Hamburger Stadtreinigung ist es,
bilanzielle Klimaneutralität bereits bis 2035 zu erreichen. Im Fokus
stehen die Klimaneutralität und die Treibstoffautarkie des Fuhrparks mit
besonderen Herausforderungen im wirtschaftlichen und im regulatorischen
Bereich sowie die thermische Abfallbehandlung mit hohen technischen
Anforderungen an die CO2-Abscheidung und entsprechenden Investitions- und Betriebskosten.
Phase
I der Studie, die Mitte Juni 2023 abgeschlossen sein wird, beinhaltet
in erster Linie die Ermittlung des Status Quo, die theoretische und
wissenschaftliche Betrachtung der CO2 Abscheide-,
Aufbereitungs-, Speicherungs- und Transporttechnologien sowie einen
Überblick über rechtliche Rahmenbedingungen und die Förderlandschaft.
Schwerpunkte
von Phase II werden eine standort- und anlagenbezogene Untersuchung,
eine integrative Vorplanung, die Konzeptauslegung mit der aus Phase I
präferierten CC-Technologie (Aminwäsche), eine Marktrecherche sowie die
Erarbeitung einer Roadmap für die Zielerreichung Klimaneutralität bis
2035 sein. Die Ergebnisse der Studie sollen anschlieĂźend, das Vorliegen
des notwendigen rechtlichen Rahmens vorausgesetzt, in die Praxis
umgesetzt werden.
Dass die Herstellung von wasserstoffbasierten
synthetischen Schiffskraftstoffen im Einklang mit der Reduktion von
CO₂-Emissionen durch fossile Kraftstoffe möglich ist, erläuterte Prof.
Dr.-Ing. Gerhard Schories (Institutsleiter ttz
Technologie-Transfer-Zentrum Bremerhaven, Maritimes Cluster
Norddeutschland). Im Projekt MariSynFuel wird der Einsatz von grĂĽnem Methanol, welches aus biogenem CO2
und grünem Wasserstoff erzeugt wird, für die Schifffahrt zunächst als
Pilotprojekt auf dem Ausbildungsschiff Uthörn umgesetzt. Das Projekt
profitiert dabei von der lokal gegebenen nachhaltigen
Wertschöpfungskette am Standort Bremerhaven. Bestehende Infrastrukturen
liefern u. a. Windstrom aus dem Offshore Windpark Deutsche Nordsee und
biogenes CO2 aus einer benachbarten Kläranlage.
Elektrolyseure zur Erzeugung von grünem Wasserstoff und Lagerkapazitäten
sind bereits vor Ort.
Langfristiges Ziel ist die Etablierung synthetischer Kraftstoffe aus Wasserstoff und abgeschiedenem bzw. „recyceltem“ CO2
im regionalen und ĂĽberregionalen Markt. Steigende Produktnachfragen
sind durch große Reedereien bereits gegeben. „Wir können nicht alle
Antriebsarten der Zukunft elektrifizieren. Der Einsatz von Batterien auf
Schiffen ist nicht möglich, so dass klimaneutrale Alternativen dringend
erforderlich sind“ so Professor Schories in seinem Schlusswort.
Fazit
der Veranstaltung: Im Hinblick auf den Mobilitätssektor müssen
Kraftstoffe der Zukunft so produziert werden, dass sie am Ende so wenig
klimawirksam wie möglich sind. Biogenes CO2 aus
nicht-recyclingfähigem Abfall muss so genutzt werden, dass durch die
Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen die Ziele der EU zur Nutzung
erneuerbarer Energie erreicht werden. Als wesentliche Herausforderungen
fĂĽr die Zukunft wurden der derzeitig zu unklare Rechtsrahmen, hohe
technische Anforderungen und erhebliche Kosten fĂĽr die Erzeugung grĂĽnen
Wasserstoffs gesehen.
In seinem Abschlussstatement wies Prof. Dr.
RĂĽdiger Siechau, Sprecher der Stadtreinigung Hamburg, noch einmal auf
die Ausgangssituation hin: „Auch in Zukunft wird die Verbrennung nicht
vermeidbarer und nicht recyclebarer Restabfälle weiter erforderlich
sein. Wenn wir klimaneutral werden wollen, müssen wir zwangsläufig CO2
abscheiden. Die Kosten fĂĽr die damit verbundenen MaĂźnahmen mĂĽssen wir
als Gesellschaft gemeinsam stemmen. Die Klimafolgekosten, welche durch
die globalen CO2-Emissionen und den Klimawandel bereits heute
entstehen und uns hart treffen, mĂĽssen bei der
Wirtschaftlichkeitsbetrachtung berücksichtigt und eingerechnet werden.“
Copyright: | © Deutsche Gesellschaft fĂĽr Abfallwirtschaft e.V. (DGAW) (08.06.2023) | |