Eine Methodik zur Ableitung szenariobasierter Binnenhochwassergefahren- und -risikokarten im nordwestdeutschen Küstenraum

Bei der Implementierung der EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie im Küstenraum fehlt eine Darstellung der Binnenhochwasserrisiken. Vorgestellt wird eine Methodik, um Binnenhochwassergefahren- und -risikokarten für die Küstenniederungen abzuleiten. Damit kann die Lücke geschlossen werden.

Im Rahmen der Umsetzung der EU-Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie [1] wurden für identifizierte Risikogebiete Hochwassergefahren-und -risikokarten erzeugt und veröffentlicht. InGebieten mit multiplen Risiken wurde dabei aber lediglich dasgrößte Risiko dargestellt. Für die Küstenniederungen entlang derdeutschen Nordseeküste bedeutet dies, dass nur die Gefahren- undRisikokarten für extreme Sturmfluten verfügbar sind: „Das Küstengebietwurde als gesondertes Gebiet betrachtet, da dort vorrangigeine Gefahr durch Sturmfluten besteht. Für das ausreichendgeschützte Küstengebiet wurde die Darstellung in denKarten auf das Extremereignis beschränkt (gemäß §74 Abs. 2WHG)“ [2].Glücklicherweise hat es seit der Sturmflut von 1962 an der deutschenNordseeküste keine schwereren Schäden mehr durch Deichbrüchegegeben. Die Anpassungen bei der Bemessung der Deichesowie die Umsetzung des Generalplans Küstenschutz in Niedersachsenund Bremen [3], [4] haben bewirkt, dass auch schwereSturmfluten in den letzten Jahren und Jahrzehnten schadlos überstandenwurden. Unabhängig vom gestiegenen Schutzniveau wirdbei der Ableitung der Hochwassergefahrenkarten in Niedersachsendie Bemessungshöhe der Deiche in das geschützte Gebiet extrapoliert,um potenzielle Überflutungsflächen und -höhen darzustellen.Unberücksichtigt bleiben bei dieser Vorgehensweise aber diedurch ergiebige Regenfälle entstehenden Binnenhochwasserrisiken,die in den vergangenen Jahren gehäuft zu lokalen Überflutungsereignissengeführt haben. So wurden z. B. im September 2021in Ostfriesland nach Auskunft des 1. EntwässerungsverbandesEmden (1. EVE) lokal 114 mm Niederschlag in 24 Stunden gemessen,die im Verbandsgebiet des 1. EVE lokale Überschwemmungsschädendurch eine Überlastung der Siedlungsentwässerung verursachten.Im Februar 2022 führten wiederum ergiebige Niederschlägewährend der Sturmtief-Serie (Ylenia, Zeynep und Antonia)zu sehr hohen Entwässerungsbedarfen, die wegen hoher Außenwasserständeder Nordsee und der Ems während der Kettentidezeitweilig nicht abgeführt werden konnten. Auch bei diesem Ereignisentstanden großflächige Überschwemmungen im Binnenland,da durchgängig nicht gesielt und zeitweise auch nicht gepumptwerden konnte. Für das Risikomanagement derartiger Ereignissesind die bestehenden Hochwassergefahren- (Bild 1) und -risikokarten für den Sturmflutfall nur von geringem Nutzen.



Copyright: © Springer Vieweg | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
Quelle: Wasser und Abfall 06 (Juni 2022)
Seiten: 7
Preis inkl. MwSt.: € 10,90
Autor: Prof. Dr. Helge Bormann
M.Sc. Jenny Kebschull
Dipl.-Ing. Jan Spiekermann
Nadine Kramer

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