Datentransport im Profibus - Redundante Automatisierungstechnik steigert die Verfügbarkeit

Die mittelfränkische Gemeinde Adelsdorf hat den Betrieb von Kläranlage und Wasserwerk einschließlich aller Außenbauwerke neu automatisiert und einheitlich visualisiert. Mehrfach redundante Automati- sierungs- und Leittechnik macht den Betrieb transparent, das Gesamtsystem hoch verfügbar und entlastet so die Gemeindekasse. Bewährte Optionen und Add-ons erweitern die Basisfunktionalität des SCADA-Systems unter anderem um Web-Bedienplätze und automatisieren das Berichtswesen.

27.06.2006 Angesichts knapper Kassen müssen sich Städte und Gemeinden etwas einfallen lassen, um den Betrieb kommunaler Einrichtungen auf Dauer sicher gewährleisten und finanzieren zu können. Sie sind fast gezwungen, zu rationalisieren. Die Gemeinde Adelsdorf hat dazu beizeiten den vor allem wegen vieler Außenbauwerke sehr aufwändigen Bereitschaftsdienst für die eigene Kläranlage und das Wasserwerk zusammengeführt.

Als zuletzt die Leittechnik der Kläranlage erneuert, ein neues Leitsystem im Wasserwerk eingerichtet und die zugehörigen Außenbauwerke darin integriert werden mussten, entschied man sich für einen umfassenden Ansatz. Statt mehrerer Einzelmaßnahmen sollte eine über alle Einrichtungen hinweg durchgängige, in der Handhabung vereinheitlichte und möglichst hoch verfügbare Lösung gefunden werden.

"Das neue, Bereiche übergreifende Leitsystem sollte zu den bereits vorhandenen Siemens-Steuerungen mehrerer Gewerke passen, sodass die Wahl des Fabrikats schon ein Stück weit spezifiziert war", sagt Alexander Hoderlein von der SRP Schneider & Partner Ingenieur Consult GmbH (Kronach), die mit der Planung, Ausschreibung und Überwachung betraut wurde. Armin Goß, Erster Bürgermeister von Adelsdorf und selbst lange Zeit in der EDV-Branche tätig, fasst die Vorgaben zusammen: "Wir wollten keine pflegeaufwändigen Sonderlösungen, sondern haben bewusst Wert auf etablierte Standards gelegt, um auch nach Jahren noch migrationsfähig und generell offen für Erweiterungen zu sein."

Die öffentliche Ausschreibung konnte die K+S Richter Schaltanlagenbau GmbH für sich entscheiden. Und mit der Hermos AG aus Mistelgau suchte sich das Kasendorfer Elektrounternehmen einen auf SCADA-Systeme von Siemens spezialisierten Partner. Der gemeinsame Lösungsansatz: Ein redundantes, das heißt auf je einem Server in der Kläranlage und im Wasserwerk laufendes Leitsystem auf der Basis von Simatic WinCC, mit mehreren Bedien-Clients und einer für alle angeschlossenen Gewerke vereinheitlichten Bedienoberfläche.

Die beiden Server sind über das gut und engmaschig ausgebaute Ethernet-Lichtwellenleiternetz der Gemeinde Adelsdorf miteinander verbunden, das so maßgeblich zur hohen Verfügbarkeit beitragen konnte. Nach eventuellen Ausfällen gleichen sich die Server automatisch ab, wozu auf beiden Seiten die WinCC-Option "Redundancy" installiert ist.

Als Kopfsteuerung für die lokalen Einrichtungen in Kläranlage und Wasserwerk fungiert je eine Simatic S7 400. Beide sind für den "normalen" Datenaustausch über Profibus-Lichtwellenleiter untereinander und mit den WinCC-Servern verbunden. In der Kläranlage sind zudem elf unterlagerte Simatic S7 300-Steuerungen lokaler Gewerke über einen optischen Profibus-Ring und Optical Link Modules (OLM) daran angeschlossen.

Zur Integration der diversen Außenbauwerke wie Brunnen, Pumpstationen, Hochbehälter oder Regenüberlaufbecken in den Automatisierungsverbund wurde Fernwirktechnik aus dem Sinaut ST7-Spektrum von Siemens eingesetzt. Auch diese ist getrennt für Kläranlage und Wasserwerk ausgeführt. So gibt es für jeden Standort zwei Fernwirk-Kopfstationen (TIM): Eine für den Datenaustausch mit den Außenbauwerken per Funk im kostengünstigen Zeitschlitzverfahren, und eine zur Kommunikation über feste, gemeindeeigene Standleitungen. Kommunikationsmedium zwischen den TIM-Kopfstationen und der auf den WinCC-Servern laufenden Fernwirk-Software Sinaut ST7cc ist das Multi-Point-Interface (MPI).
 
Die dezentral an den Außenbauwerken installierten TIM können anfallende Meldungen und Messwerte intern speichern und zu einem späteren Zeitpunkt an das Leitsystem übermitteln. Auf diese Weise lassen sich auch Ausfälle einer Fernwirk-Baugruppe bis zu zwei Tage lang überbrücken.

Aus Gründen der Verfügbarkeit wurden auch die beiden Kopfsteuerungen mit den Fernwirk-Kopfstationen (TIM) über MPI miteinander über Lichtwellenleiter gekoppelt. Zusätzlich sind auch die beiden Kopfstationen ans MPI angebunden, damit dort zusätzlich Sammelmeldungen aus den Unterstationen zur Verfügung stehen.

"Wir haben hier sehr viele Eventualitäten berücksichtigt und eine sehr hohe Verfügbarkeit des Gesamtsystems geschaffen", so Bernd Kättner, Geschäftsführer von K+S Richter. "Die Redundanz erstreckt sich zum Teil mehrfach über alle Ebenen, vom Leitsystem über die Automatisierungstechnik bis zu den Bussystemen. In dieses Konzept passt auch, dass sämtliche Außenbauwerke bei einem Ausfall aller Übertragungswege mit den letzten Führungswerten autark weiter betrieben und vor Ort bedient werden können."

Hermos, seit mehreren Jahren schon Simatic WinCC Professional und damit spezialisiert auf qualifizierte SCADA-Lösungen mit dem Siemens-System, entwickelte für beide Standorte und alle angeschlossenen Gewerke ein einfaches Bedienkonzept mit identischen Abläufen. Das gilt sowohl für die fest installierten Bedienplätze in den Warten und zusätzlich im Labor der Kläranlage als auch für beliebige Web-Bedienplätze. Diese bieten über einen einfachen Internet-Browser Zugriff über das Ethernet-Netzwerk der Gemeinde auf das Leitsystem mit der WinCC-Option "WebNavigator". Die Mittelfranken nutzen diese kostengünstige Bedienlösung im Rathaus, im Bauhof und auf dem Notebook des Wartungspersonals, das sich so auch nach Dienstschluss ins System einloggen und dieses auf die gleiche Weise wie vor Ort bedienen und beobachten kann.

Eine topografische Übersicht zeigt nach dem Einschalten auf einen Blick den aktuellen Zustand sämtlicher Außenbauwerke, wobei sich Detailinformationen des jeweils anderen Standorts über Filter ausblenden lassen. Durch Anklicken eines der orangefarbenen oder blauen Fähnchen (Pins) auf der Übersichtskarte gelangt man direkt zu einer grafischen Darstellung der angewählten Station und sieht darin auf einen Blick deren wichtigste Prozessdaten und Betriebszustände. In der linken oberen Hälfte des Bildschirms erscheint zusätzlich eine Auswahl der verfügbaren allgemeinen, nicht auf ein bestimmtes Aggregat dieser Station bezogenen Meldungen. Im unteren Bildbereich sind immer die letzten Störmeldungen für den jeweiligen Standort mit Datum, Uhrzeit, Ort und Ursache zu sehen.

"Sehr wichtig für uns sind detaillierte Störmeldungen, die eine möglichst genaue Lokalisierung von Fehlern und Analyse der Ursache ermöglichen", sagt Michael Denk, Leiter des Bauhofs der Gemeinde Adelsdorf. Das sei insbesondere in der Nacht von Vorteil, damit der Bereitschaftsdienst schnell entscheiden kann, ob, wo und wie er eingreifen muss. Alles in allem sind rund 4.500 Meldungen, Messwerte, Schalt- und Steuerbefehle projektiert. Um das Störmeldewesen (Bereitschaftsmanagement) zu allen Tages- und Nachtzeiten zu gewährleisten, wurde das WinCC-Add-on PageControl der Firma Informel in das Leitsystem eingebunden. Ereignisgesteuert sendet es automatisch Textmitteilungen (SMS) an beliebig definierbare Empfänger.

Die vom Wasserwirtschaftsamt vorgeschriebenen ATV-konformen Tages-, Monats- und Jahresberichte werden mit dem WinCC Premium-Add-on Acron der DataForum Software GmbH erstellt. In die Auswertungen werden erfasste Messwerte automatisch übernommen oder im Labor ermittelte Messwerte von Hand eingegeben. Das Premium-Add-on führt außerdem Buch über das zentrale Wartungs- und Instandhaltungsmanagement und erfasst alle relevanten Laufzeiten und Bedienereingaben.

Insgesamt werden täglich tausende Daten aus dem Prozess erfasst, verarbeitet, aufbereitet und gespeichert. "Anhand all dieser Daten und der vielfältigen Visualisierungs- und Auswertungsmöglichkeiten können wir nicht nur die Anlagen- und Betriebsführung laufend überwachen und bei Störungen schnell eingreifen, sondern auch sämtliche Abläufe über einen längeren Zeitraum hinweg analysieren und kontinuierlich verbessern," so Michael Denk zu einem entscheidenden Zusatznutzen des neuen Systems.

"Ein immer wieder ausschlaggebender Grund für den bevorzugten Einsatz von Siemens-Automatisierungstechnik ist die daraus resultierende Vereinfachung und Zeitersparnis in den Bereichen Engineering, Inbetriebnahme, Diagnose und Wartung", so Dipl.-Ing. Volker Eberth, Prokurist der Hermos AG, zusammenfassend. "Die durchgängige Projektierung und Programmierung, Kommunikation und Datenhaltung über alle zentralen und dezentralen Steuerungen, maschinennahen Bediengeräte und das verteilte übergeordnete Visualisierungssystem hinweg erspart Mehrfacheingaben und erleichtert auch die Systempflege und zukünftige Änderungen."

Letzteres wird der Betreiber schon in Kürze bestätigen können, wenn es darum geht, das neue Visualisierungssystem um spezifische Daten und Meldungen für das Hochwassermanagement und den Winterdienst der Gemeinde zu erweitern.
 
Zusatzinformation:

Kläranlage und Wasserwerk Adelsdorf
Die Kläranlage der Gemeinde Adelsdorf ist für 25.000 Einwohnerwerte (EW) ausgelegt, jeweils die Hälfte davon für Privathaushalte und Gewerbe. Der Anschlussgrad liegt bei 100 Prozent. Das gilt auch für die Wasserversorgung, die über drei Hochbehälter und sechs Brunnen im Umfeld gespeist wird. Die Kapazität von etwa einer Million Kubikmeter ist mit der Versorgung von Adelsdorf und zweier Nachbargemeinden zu rund 75 Prozent ausgeschöpft.

Unternehmen, Behörden und Verbände: Gemeinde Adelsdorf, SRP Schneider & Partner Ingenieur Consult GmbH, K+S Richter Schaltanlagenbau GmbH, Hermos AG, Siemens AG
Autorenhinweis: Jan Kürschner Siemens AG



Copyright: © Deutscher Fachverlag (DFV)
Quelle: Juni 2006 (Juni 2006)
Seiten: 3
Preis inkl. MwSt.: € 0,00
Autor: Dipl-Ing.(FH) Jan Kürschner

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