Nachhaltigkeit im Erdbau – Zeitweise fließfähige selbstverdichtende Verfüllbaustoffe aus mineralischen Baurestmassen

Mineralische Baurestmassen (z. B. Bodenaushub und Bauschutt) stellen nicht
nur in Deutschland jährlich den größten Abfallstrom dar und müssen gemäß dem deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz möglichst hochwertig wiederverwendet werden. Obwohl die Wiederverwendung mineralischer Baurestmassen in Deutschland mittlerweile weit fortgeschritten ist, gibt es für einige Stofffraktionen mit vergleichsweise ungünstigen erdbautechnischen Eigenschaften häufig keine hochwertige Verwertungsmöglichkeit, weshalb diese nach wie vor verfüllt oder
gar beseitigt werden.

Eine vergleichsweise neue Einsatzmöglichkeit für derartige Materialien liegt in der Herstellung von zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoffen (ZFSV, Flüssigboden), die in hochwertigen Anwendungen des Erdbaus verwendet werden können. Trotz der ökologischen und verfahrenstechnischen Vorteile von ZFSV werden diese in der Erdbaupraxis noch nicht besonders umfangreich eingesetzt, meistens aufgrund des Mangels an Erfahrungen und Kenntnissen hinsichtlich ihrer erdbautechnischen Eigenschaften sowie an verbindlichen normativen Grundlagen. Dieser Beitrag soll die regelwerkstechnischen Grundlagen für ZFSV aufzeigen und am Beispiel von Ergebnissen aus Labor- und Feldversuchen an ZFSV aus unterschiedlichen Ausgangsstoffen einen Überblick über die erdbautechnischen Eigenschaften von ZFSV geben sowie ihre erdbautechnische Eignung aufzeigen.

Mineralische Baurestmassen stellen in vielen Ländern den mit Abstand größten Abfallstrom dar. Alleine in Deutschland fielen in 2018 deutlich mehr als 200 Mio. T an mineralischen Baurestmassen an (Kreislaufwirtschaft Bau 2021), wobei die beiden Stoffströme „Boden und Steine“ und „Bauschutt“ mit etwa 130 Mio. T. (ca. 59,6 %) bzw. 60 Mio. T
(ca. 27,3 %) die weitaus größten Anteile ausmachen (siehe Abb. 1). Angesichts dieser erheblichen Mengen ist es aufgrund von sozioökonomischen und ökologischen Erfordernissen unbedingt notwendig, einen möglichst großen Anteil wieder hochwertig in den Stoffkreislauf zurückzuführen. Dies ist seit 2012 mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG 2012) durch den Gesetzgeber auch verbindlich festgelegt, in dem die Verwertung auch mineralischer Baurestmassen über ihre Beseitigung priorisiert wird. Die gesetzliche Verpflichtung, der politische Druck die gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit und die wirtschaftlichen Chancen haben mittlerweile zu erheblichen Fortschritten hinsichtlich der hochwertigen Wiederverwendung von mineralischen Baurestmassen geführt. So lagen die Verwertungsquoten im Jahre 2018 in Deutschland für die Stoffströme „Boden und Steine“ und „Bauschutt“ bei 86,2 % bzw. 93,9 %. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass große Anteile davon nach wie vor zur Verfüllung – der gemäß KrWG nachrangigsten Verwertungsmaßnahme – eingesetzt werden. Darüber hinaus werden erhebliche Massen weiterhin auf Deponien beseitigt. Die beiden Aspekte betreffen dabei vor allem Stoffe mit vergleichsweise ungünstigen erdbautechnischen Eigenschaften, wie beispielswiese feinkörnige, erdbautechnisch zu weiche Böden oder Baurestmassen aus der Vorabsiebung, aber auch ziegelreiche rezyklierte Baustoffe. Die Verwendung derartiger Materialien als Ausgangsstoffe für die Herstellung von zeitweise fließfähigen Verfüllbaustoffen (ZFSV) kann dazu beitragen, dass zukünftig auch solche Materialien hochwertig in qualifizierten Anwendungen des Erdbaus eingesetzt werden, womit der Verbrauch an Primärbaustoffen und die auf Deponien abgelagerten Massen reduziert werden können.



Copyright: © Lehrstuhl für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft der Montanuniversität Leoben
Quelle: Recy & Depotech 2022 (November 2022)
Seiten: 8
Preis inkl. MwSt.: € 4,00
Autor: M.Sc. Melissa Zeni
M.Sc. Stefan Huber
Dr.-Ing. Emanuel Birle

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