Sicherheit von Gasfernleitungen – das Technische Regelwerk im Licht der aktuellen Rechtsprechung

Mit Eilentscheidungen vom 29. Juni 2011 hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg die Arbeiten an einzelnen Abschnitten der Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) gestoppt. Im Rahmen der Entscheidungen hat sich das OVG mit dem aktuellen Stand der Technik bei der Bestimmung der Leitungsführung auseinandergesetzt, dabei wichtige Bestimmungen der technischen Regeln des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e. V. (DVGW) erörtert und diese mit anderen Regelwerken und Studien verglichen. Im Ergebnis ist das OVG zu vorläufigen Schlussfolgerungen gelangt, die aus sicherheitstechnischer Sicht nicht haltbar sind. Das OVG bewertet die Sicherheit von Ferngasleitungen losgelöst von der üblichen Vorgehensweise bei Risiken von technischen Anlagen und verengt die Maßnahmen zur Absicherung dieser Leitungen in einer sicherheitstechnisch bisher nicht bekannten Weise auf Abstände (zu Wohnbebauungen). Dagegen hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim (VGH) am 14. November 2011 den Stand der Technik zur Leitungsführung nach dem geltenden technischen Regelwerk differenziert und treffend bestätigt.

Das OVG Lüneburg hat mit Eilbeschlüssen zur NEL deren Trassenführung als rechtsfehlerhaft bewertet. Das Gericht bewertet erstmals eine Ferngasleitung in Deutschland, die nach dem Regelwerk des DVGW installiert und betrieben werden soll, als nicht inhärent sicher und nimmt deshalb mit Blick auf vermeintlich unzureichende Abstände zur Wohnbebauung einen Verstoß gegen den Stand der Technik an. Es hält allgemeine Abstandsregeln für vorzugswürdig. Über den Schutzstreifen hinausgehende besondere Mindestabstände zwischen Gasfernleitungen der öffentlichen Versorgung und Wohnbebauung sind nicht Stand der Technik in der deutschen Gasversorgung. Die Leitungen sollen durch Schutzmaßnahmen, die im DVGW-Regelwerk aufgrund jahrelanger Erfahrung beim Betrieb von Gasfernleitungen vorgegeben sind, so sicher ausgeführt werden, dass katastrophale Ereignisse gar nicht erst entstehen und a priori nicht unterstellt werden müssen. Die bewährte Praxis in Deutschland sorgt durch eine Vielzahl von Maßnahmen für eines der höchsten Sicherheitsniveaus weltweit. Der DVGW ist nach dem Willen des Gesetzund Verordnungsgebers für die technische Regelsetzung von Gasfernleitungen der öffentlichen Versorgung in Deutschland verantwortlich und damit der oberste Hüter der technischen Sicherheit in der öffentlichen deutschen Gasversorgung. Er bündelt die Fachkenntnis von Experten und widerspricht der Auffassung in den Eilbeschlüssen des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg mit Blick auf die folgenden Aspekte: 1. Versorgungsleitungen müssen an Lebensund Wirtschaftsräume herangeführt werden Der Standort Deutschland zeichnet sich durch eine hohe Industrie- und Siedlungsdichte aus und muss über eine ausreichende und sichere Energieversorgung verfügen. Energierechtlich manifestiert sich dies im Gebot der Versorgung der Allgemeinheit mit Energie gemäß § 1 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Hierzu müssen die Versorgungsleitungen an die Lebens- und Wirtschaftsräume herangeführt werden. Um diesem öffentlichen Versorgungsauftrag gerecht zu werden, hat der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen in einem eigenen Rechtsregime verankert. Für Gasfernleitungen der öffentlichen Versorgung wurde dies neuerdings mit Inkrafttreten der neu überarbeiteten Gashochdruckleitungsverordnung (GasHDrLtgV) vom Mai 2011 nochmals bekräftigt.
 

Kontakt:

Dipl.-Ing. Alfred Klees
Dipl.-Ing. Agnes Mazur
Deutscher Verein des Gas und Wasserfaches e.V.
Technisch-wissenschaftlicher Verein
Josef-Wirmer Str. 1-3
53123 Bonn



Copyright: © wvgw Wirtschafts- und Verlagsgesellschaft Gas und Wasser mbH
Quelle: Heft 01 - 2012 (Januar 2012)
Seiten: 9
Preis inkl. MwSt.: € 4,00
Autor: Technisches Komitee des DVGW „G-TK-1-1 Gastransportleitungen“

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