CHANCEN UND RISIKEN VON BIOKOHLE – FORSCHUNGSSTAND AN DER JUSTUS-LIEBIG-UNIVERSITÄT GIEßEN

Als 2008 am Interdisziplinären Forschungszentrum (IFZ) der Justus-Liebig-
Universität Gießen (JLU) mit der Biokohle-Forschung begonnen wurde, war das Thema Biokohle1 in Deutschland wenig bekannt (vgl. Glaser et al., 2001). Seither hat es eine damals kaum vorhersehbare Expansion erfahren. Dies liegt wahrscheinlich an der sehr realen Bedrohung durch den Klimawandel, der global immer spürbarer wird; an den faszinierenden, aber oft noch theoretischen Chancen, die Biokohle bietet, um unser Leben und unsere (Wert-)Stoffströme nachhaltiger zu gestalten; und vielleicht auch an der schönen Geschichte von der Terra Preta. Im Vortrag wie auch im nachfolgenden Text wird ein Querschnitt durch den aktuellen Wissensstand gegeben sowie erste Forschungsergebnisse vorgestellt.

Die natürlichen CO2-Senken unseres Planeten – v.a. boreale Wälder und Ozeane – haben stets ca. 40% des anthropogen emittierten CO2 aufgenommen (IPCC, 2007); diese Senken werden sich jedoch mit steigender Erderwärmung eher verringern als erhöhen. Daher wird sich der CO2-Anstieg in der Atmosphäre nicht nur durch unseren steigenden Konsum von fossilem Kohlenstoff (C) beschleunigen, sondern auch dadurch, dass weniger in den natürlichen Senken gespeichert wird. Mit anderen Worten: Der CO2-Anstieg in der Atmosphäre wird sich weiter beschleunigen (IPCC, 2007). Daher ist es höchste Zeit, weltweit mit allen Mitteln und vereinten Kräften unsere Abhängigkeiten von fossilem Kohlenstoff zu verringern und neue Strategien zur C-Sequestrierung zu entwickeln. Dabei könnte die oft bemühte CCS-Technologie (carbon capture & storage = Flüssig-CO2-Abscheidung und Sequestrierung in geologischen Lagerstätten) in der Praxis am "nimby"-Effekt (not in my backyard) scheitern. In Böden ist global mehr als das Doppelte des C-Gehalts der Atmosphäre gespeichert (IPCC, 2001; 2007). Die globalen C-Flüsse zwischen Boden/Biosphäre und Atmosphäre betragen jährlich etwa 240 Pg (Gigatonnen) Kohlenstoff in beide Richtungen (Brutto-Primärproduktion plus Mineralisierung). Kleine Änderungen im Bodenkohlenstoff- Pool können daher in wenigen Jahrzehnten große Auswirkungen auf den CO2-Gehalt der Atmosphäre haben (Lal, 2009) – ebenfalls in beide Richtungen (Woolf et al., 2010), wenn es uns gelingt, die C-Sequestrierung in Böden zu verstärken. Durch die sich beschleunigende Erderwärmung mit der einhergehenden Zunahme von Extremereignissen – Starkniederschläge, Dürren, Hitzewellen, Feuer – wächst die Gefahr rascher Bodenkohlenstoff-Verluste, d.h. einer Selbstverstärkung des Treibhauseffekts (positive feedback mechanisms). Diese erleben wir bereits: Beispiele sind der Hitzesommer 2003 in Europa mit anormal hohen Netto-Kohlenstoff- Verlusten (Ciais et al., 2005), die Torfbrände während der Mega-Hitzewelle 2010 in Russland (Barriopedro et al., 2011), die Überflutungen in Pakistan oder Australien oder die derzeitige Dürre in Afrika (Boden-C-Verluste noch unklar).



Copyright: © HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fakultät Ressourcenmanagement
Quelle: 72. Symposium 2011 (Oktober 2011)
Seiten: 11
Preis inkl. MwSt.: € 0,00
Autor: Prof. Dr. Claudia Kammann
Mi-Kyung Ha
Sonja Schimmelpfennig
Michael Kurtz
Mo Bai

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