Billige Kohle für Deutschland zerstört Lebensgrundlage von Ureinwohnern
Verwüstete Landschaften, zerstörte Dörfer, verschmutzte Luft, verseuchte Gewässer, bittere Armut: Das ist der Preis, den die Schoren in Sibirien und die Wayúu-Indianer in Kolumbien für die billige Kohle für Deutschland bezahlen müssen. Ohne Rücksicht auf Mensch und Natur wird auf dem traditionellen Land dieser indigenen Völker Steinkohle gefördert.
Damit werden bei uns trotz Energiewende Kohlekraftwerke befeuert, die alt und ineffizient sind. Sie werden weiter betrieben, weil die Kohle so günstig zu haben ist, auch wenn die CO2-Emissionen steigen. Außerdem sollen erstmals seit acht Jahren wieder neue Kohlekraftwerke in Betrieb gehen. Dass darüber hinaus die Lebensgrundlage von Ureinwohnern vernichtet und durch den Kohletagebau riesige Flächen zu ökologischen Wüsten gemacht werden, interessiert Energiekonzerne wie RWE, STEAG, EON, EnBW oder Vattenfall bislang offenbar wenig. Sie profitieren von der billigen Steinkohle und tragen damit auch zu Menschenrechtsverletzungen und verheerender Umweltzerstörung bei. Uns gehen die Ängste und das Elend der Betroffenen nahe. Wir wollen für ihre Rechte eintreten und nicht stillschweigend zusehen, wie sich deutsche Stromversorger aus ihrer Verantwortung stehlen. Bitte unterstützen Sie unsere Initiative für die
Schoren und Wayúu!
Deutschland steigert Steinkohle-Importe
2013 wurden 50,6 Millionen Tonnen Steinkohle im Wert von 4,1 Milliarden Euro nach Deutschland eingeführt. 2012 waren es erst 43,9 Millionen Tonnen. Gleichzeitig sank der Preis pro Tonne von 105 Euro auf nur noch 82 Euro. Unser wichtigster Energielieferant ist Russland. Von dort stammen 38 Prozent unseres Erdgases, 35 Prozent aller Öl- und 25 Prozent der Steinkohle-Importe. Aus Kolumbien kommen ebenfalls 25 Prozent der Steinkohle, die in deutschen Kraftwerken verbrannt wird.
Russland: Tagebau verwüstet Land der Schoren
"Unsere Wälder werden auf barbarische Weise zerstört, Flüsse verschmutzt, die Luft vergiftet, unsere Dörfer verschwinden von der Landkarte, die Ureinwohner werden aus ihren Häusern verjagt...", schreiben die Einwohner des Dorfes Kazass im russischen Steinkohlerevier Kuzbass in einem Brief an Präsident Wladimir Putin. Die Folgen der Steinkohleförderung sind für die Schoren verheerend: Der lebenswichtige Fluss Kazass ist verseucht und verschlammt. Der heilige Berg Tachigey, der ihre Siedlungen vom Tagebau abschirmte, wurde abgetragen. Als die Dorfbewohner dem fortschreitenden Kohleabbau nicht weichen wollten, wurden fünf ihrer Häuser niedergebrannt, und das, obwohl Kazass, Tschauzass und Tschuvaschka als Ortschaften traditionellen Lebens und Wirtschaftens der Schoren 2009 unter Schutz gestellt worden waren. Der jahrzehntelange Steinkohle-Tagebau im Kuzbass hat 180.000 Hektar zu einem ökologischen Notstandsgebiet gemacht. Die Konzentration von Schadstoffen in der Luft ist zwei bis drei Mal, in einigen Regionen sogar 18 Mal so hoch wie sonst in Russland. Feldfrüchte weisen extrem hohe Konzentrationen von giftigem Blei, Cadmium, Quecksilber und Arsen auf. Nun will die Regierung die Umweltverträglichkeitsprüfung bei neuen Abbau-Projekten abschaffen. "Doch sie muss bestehen bleiben! Denn sie ist unsere einzige Chance, uns überhaupt einzubringen!", fordern die Schoren.
Schoren stehen vor dem Untergang
In den Republiken Altai und Chakassien gibt es noch rund 12.000 Schoren. 11.000 von ihnen leben im Verwaltungsbezirk Kemerovo mit der Steinkohleregion Kuzbass. Die UNESCO bezeichnet ihre Sprache als "akut vom Aussterben bedroht". Sie wird nur noch in der Schule der Siedlung Borodino unterrichtet, aber nur als Wahlfach. In entlegenen Orten schließen jetzt die Grundschulen. Die Kinder müssen in Internate und verlieren so die Verbindung mit ihrer Kultur. Michail Todyschew, einer der Stammesältesten der Schoren, warnt: "Wir stehen an der Schwelle zum kulturellen Aussterben." Einige schorische Dörfer wie Kuja, Sibirga und jetzt auch Kazass wurden durch die Kohleförderung vernichtet. So klagt der Schore Veniamin Boriskin: "Die Kohle hat unser Dorf zerstört. Für die Reichtümer, die bei uns gefördert werden, haben wir nie etwas bekommen." Die Schoren fordern, dass auch westeuropäische Kohle-Abnehmer nicht länger die Augen vor den Menschenrechtsverletzungen der Bergbaufirmen verschließen dürfen.
Kolumbien: Existenzgrundlage der Wayúu zerstört
Bei den mehr als 144.000 Wayúu in der kolumbianischen Provinz La GuajÃra wird seit 30 Jahren im größten Tagebau Lateinamerikas Kohle gefördert. Heute herrschen hier Hunger und Krankheit. Die Böden sind kontaminiert, die Flüsse umgeleitet oder ausgetrocknet. Die bitterarmen Wayúu leben in einer Mondlandschaft. Schon 2012 erstreckte sich der Tagebau El Cerrejón über 69.000 Hektar Fläche, und er wächst täglich. 32 Millionen Tonnen Steinkohle war 2012 die Jahresausbeute.
Dennoch sollte der Kohleabbau El Cerrejón ausgeweitet werden mit dem Ziel, bis 2017 pro Jahr 60 Millionen Tonnen zu fördern. Dazu sollte auch der Fluss Rancheria um 26 Kilometer in Richtung Tagebau verlegt werden. Geballte Proteste der ansässigen Indigenen und sinkende Weltmarktpreise für Kohle führten dazu, dass dieses Projekt zwar vorerst ausgesetzt wurde. Doch damit ist es noch lange nicht vom Tisch.
Das Anwaltskollektiv „José Alvear Restrepo“ in Bogotá vertritt Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die im Zuge des Kohlebergbaus verübt werden. So hat der Bergbau ihr Land zerstört und das Wasser verseucht. Dörfer wurden umgesiedelt, Bergbaugegner eingeschüchtert. Anwältin Petra Langheinrich: "[...] in dem Moment, [in dem] in Deutschland das Licht angeschaltet wird, [gibt] es eine direkte Verbindung zu den Menschenrechtsverletzungen hier in Kolumbien." Der Wayúu-Indianer Jaime Enrique Soto Uriana klagt: "Sowohl die Fauna wie auch die Flora haben Schaden genommen. Verschiedene Tiere wie Hirsche und Kaninchen, die wir früher jagen konnten, sind verschwunden. Auch unser Vieh leidet und hat richtige Hustenanfälle …. Tiere kamen tot oder missgebildet zur Welt. … Es gab früher viel Mango hier, heute fallen die Früchte unreif und halb vertrocknet vom Baum. Der Fluss ist voll Schlamm und Kohle, du kannst nicht mehr waschen und baden, du bist nach dem Bad schmutziger als vorher."
Indigene Völker ohne Rechte
87 indigene Völker mit insgesamt rund 1,45 Millionen Angehörigen gibt es in Kolumbien. Sie stellen 3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. 65 indigene Sprache werden noch aktiv gesprochen. Etwa ein Drittel der Fläche Kolumbiens sind Reservate, in denen jedoch Öl und Gas gefördert, Kohlebergbau und Plantagenwirtschaft (Bananen, Ölpalmen, Koka) betrieben wird. Die indigenen Gemeinschaften werden von der Bergbauindustrie regelrecht überrannt. Kolumbien hat zwar die UN-Konvention ILO 169 ratifiziert, die wichtige Rechte der Ureinwohner festschreibt, und die UN-Deklaration zu den Rechten indigener Völker unterzeichnet. Doch das darin verbriefte Mitbestimmungsrecht bei allen sie betreffenden Entscheidungen gilt als unzulässiges Privileg und wird missachtet. Durch Gerichte festgelegte Schutzmaßnahmen für den Regenwald und das Land wurden zu einem "Betrug an der Nation und Schädigung der Wirtschaft" erklärt.
Das fordert die GfbV
-
Trotz der günstigen Kohle muss die Bundesregierung die Energiewende konsequent vorantreiben – Kohle ist schmutzig für Deutschland, und ihr Abbau verletzt Menschenrechte in den Herkunftsländern. Ein genauer Fahrplan zum Ausstieg aus der Kohleabhängigkeit muss auf den Tisch!
-
Die Bundesregierung muss einen verbindlichen rechtlichen Rahmen für Kohleimporte entwickeln, der die Sorgfaltspflicht deutscher Unternehmen gegenüber Menschenrechten und Umweltstandards garantiert.
-
Die deutschen Energieversorger wie RWE, STEAG, EON, EnBW oder Vattenfall müssen aufdecken, woher genau die importierte Kohle stammt. Nur so können sich Unternehmen nicht mehr hinter anonymen Lieferanten verstecken, sondern müssen Mitverantwortung übernehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden.
-
Die Bundesregierung sollte die ILO-Konvention 169 ratifizieren, um die Rechte der indigenen Völker zu stärken.
Das tut die GfbV
Energiewende in Deutschland auf Kosten indigener Völker - das darf nicht sein. Deshalb wollen wir mit einer neuen Kampagne auf die Missstände in den Kohlefördergebieten aufmerksam machen und auf die Importpolitik einwirken, damit unser Energiebedarf für die Menschen in den Förderländern nicht den Untergang ihrer Welt bedeutet. Wir haben im Mai 2014 das umfangreiche Memorandum "Kohleabbau in La GuajÃra, Kolumbien, und die Verantwortung deutscher Energiekonzerne" herausgegeben und die Fraktion von Bündnis90/Die Grünen gebeten, eine Anfrage zum Import von Steinkohle aus Kolumbien und Sibirien an die Bundesregierung zu richten. Auf die Folgen der Förderung von Bodenschätzen für die indigenen Völker Russlands machen wir seit Jahren aufmerksam: In Protestaktionen gegen die beteiligten deutschen Unternehmen, in Gesprächen mit Politikern, Journalisten und Umweltverbänden. Ãœber das Schicksal der Schoren haben wir mehrfach berichtet, zuletzt in einer Radiosendung mit unserer Münchner Regionalgruppe. Außerdem haben wir die Sängerin Tschyltys, die sich für den Erhalt der schorischen Sprache und Kultur engagiert, porträtiert. Wir haben deutsche und russische Unternehmen über die Lage der Indigenen informiert und beteiligen uns an der Kampagne zum Erhalt der Umweltschutzprüfung vor neuen Projekten. Jetzt wollen wir mit einem Rundbrief an 1.000 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen um Unterstützung für die Durchsetzung der Menschenrechte der Ureinwohner in Kohlefördergebieten werben und mit ihnen eine
Allianz bilden.
Denn: Energiesicherheit in reichen Staaten darf nicht mit dem Verzicht auf Menschenrechte in den Förderländern erkauft werden!
Bitte helfen Sie mit!
Es ist ein gutes Zeichen, dass die Sprecher indigener Völker in Kolumbien und Russland mutig auf ihre Anliegen aufmerksam machen und auch uns Deutsche auffordern, hier über die Situation in den Kohlefördergebieten zu informieren. Dabei können Sie helfen! Bitte beteiligen Sie sich an unserer Postkartenaktion und verbreiten Sie unsere Informationen! Nur so kann der nötige Druck auf Unternehmen und die Bundesregierung zum Schutz der indigenen Völker hergestellt werden.
Herzlichen Dank!
Quelle: Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
Copyright: | © ASK-EU (14.08.2014) |
|
|